Suche nach ...

Jemen

Kunst und Archäologie im Land der Königin von Saba

Der Jemen ist seit jeher ein geheimnisvolles Land. Beim Klang seines Namens erinnert man sich an die biblische Geschichte vom Besuch der Königin von Saba bei König Salomon, man vermeint, den Duft von Weihrauch und Myrrhe aus dem "Glücklichen Arabien" zu verspüren, und sieht vor dem geistigen Auge Kamelkarawanen, die beladen mit köstlichen Duftstoffen, auf der Weihrauchstraße, einem der ältesten Verkehrswege der Menschen, dahinziehen.

Und dennoch hat die archäologische Forschung gerade in unserem Jahrhundert einen solchen Reichtum an Material zutage gebracht, daß wir nunmehr in mancher Beziehung recht genau Bescheid wissen über die Hochkulturen des Landes, über die Königreiche von Qataban, Saba, Hadramawt, Himyar und wie sie alle heißen. Auch über die Anfänge in der Urgeschichte sind wir zumindest stellenweise gut informiert, und wir besitzen ein umfangreiches Wissen über das Ende der langen Zeitspanne, die hier behandelt wird, nämlich die Periode der Öffnung des Jemen gegenüber Einflüssen aus dem Mittelmeerraum, also die Zeit vor der Ankunft des Islam. Die "nüchternen" wissenschaftlichen Erkenntnisse verringern freilich keineswegs den Reiz des Materials, ganz im Gegenteil: Je mehr man von diesem fernen Land und seinen Kulturen erfährt, desto spannender und interessanter wird die Auseinandersetzung damit.

Der Rundgang durch die Ausstellung, die an die 600 Objekte enthält, beginnt in der Urgeschichte und führt weiter in die Bronzezeit, aus der neben Grabbeigaben, Idolen, Pfeilspitzen etc. vier "Kriegerstelen" zu sehen sind. Sie bestehen aus reliefierten Kalksteinplatten, wobei nur der Oberkörper in Form eines Reliefs ausgearbeitet ist; der untere Teil war im Boden vergraben. Das wichtigste Detail ist der lange Dolch, wie er in ganz ähnlicher Form auch im heutigen Jemen noch von den Männern getragen wird.

Im antiken Südarabien bildeten sich seit den frühesten Zeiten ausgeklügelte Bewässerungssysteme heraus, die den Boden fruchtbar machten und die eine wesentliche Grundlage für das Entstehen der Hochkulturen darstellten. Als das berühmteste Monument ist in diesem Zusammenhang natürlich der Staudamm von Marib zu nennen, dessen Überreste auch heute noch die Besucher des Jemen faszinieren. In der Ausstellung sind der Nachbau eines Wasserverteilers ungefähr im Maßstab 1:1 und das Modell des Großen Dammes von Marib zu sehen. Der Bau und die Erhaltung dieser komplizierten Systeme wurden nur durch ausgeprägte zentralistische Strukturen möglich, wie sie in den Königreichen des antiken Jemen und in ihren Vasallenstaaten existierten.

Die altsüdarabischen Hochkulturen besaßen ein eigenes Schriftsystem, das bereits im 19. Jahrhundert entziffert werden konnte und das uns einen Eindruck von der Vielfalt der religiösen Kulte vermittelt. Die erhaltenen Texte sind in historischer Hinsicht vor allem deshalb so wertvoll, weil sie Angaben zu einer relativen Chronologie, das heißt zur Abfolge der einzelnen Herrscher ohne fixen zeitlichen Anhaltspunkt, liefern. Erst der Beginn der himyarischen Zeitrechnung kann von uns absolut, nämlich in das Jahr 110 v. Chr., datiert werden. Diese Schriftzeichen befinden sich nicht nur an Felsen und an den Wänden von Tempeln, sondern auch auf den zahlreichen Weihrauchaltären, die sich uns erhalten haben sowie auf Grabbeigaben und Gegenständen des täglichen Gebrauchs.

Die Hochkulturen des antiken Südarabien waren in hohem Maße religiös geprägt. In der Ausstellung ist in natürlicher Größe ein Nachbau eines Tores des Athtar-Tempels in Main zu sehen, und es werden Objekte aus dem Baran- und dem Awam-Tempel in Marib (etwa die berühmte Statue des Madikarib) gezeigt. Ebenfalls aus dem sabäischen Bereich stammen mehrere Grabstelen mit menschlichen Gesichtern, wobei das die Fläche zierende, charakteristische rot-weiße Schachbrettmuster einen merkwürdig "modernen" Eindruck macht.

Aus dem antiken Jemen sind nicht nur große Tempelanlagen, sondern auch ausgedehnte Friedhöfe erhalten. In einem von ihnen, dem Friedhof von Tamna, wurde das wohl bezauberndste Objekt gefunden, das in der Ausstellung zu sehen ist: das aus Alabaster geformte Bildnis der (vom Ausgräber so genannten) Miriam, einer jungen Frau, die mit großen Augen anmutig auf den Betrachter blickt. Bei den sogenannten Augenstelen ist ein so hoher Grad an Abstraktion erreicht, daß man meint, ein Werk der Moderne vor sich zu sehen. Berühmt sind zwei Statuen von Amoretten, die auf Löwen reiten; die beiden Bronzen waren ursprünglich an der Südwand eines Hauses befestigt und fielen zu Boden, als die Stadt Tamna bei ihrer Eroberung in Flammen aufging.

In die Welt des Todes führt der nächste Raum mit Objekten, die im Wadi Dura und in den Nekropolen anderer Flußtäler gefunden wurden. Hier sind auch die Statuen dreier wohl aufeinanderfolgender Könige von Awsan zu sehen, von denen der letzte bereits ein Gewand trägt, das an die römische Toga erinnert.

Sehr merkwürdig, wenn nicht gar schockierend wirkt die Bestattung eines Kamels auf den Betrachter: Das Tier wurde in kniende Stellung gezwungen, bevor ihm (nach der Schächtung) der Kopf abgetrennt wurde. Für den Handel nicht nur mit Duftstoffen, sondern auch mit anderen Luxuswaren aller Art war das Kamel unentbehrlich.

Der letzte Raum ist der Spätzeit und dem griechisch-römischen Einfluß in Südarabien gewidmet. Die Römer hatten bereits lange von dem geheimnisvollen Land, in dem der Weihrauch wächst, und seinen sagenhaften Reichtümern gehört, bevor sie schließlich unter der Führung des Präfekten Ägyptens Aelius Gallus in den Jahren 26/25 v. Chr. eine Expedition nach dem Süden der Arabischen Halbinsel entsandten. Dieser Feldzug endete für die Römer kläglich, sie mußten vor Marib infolge von Krankheiten und Wassermangels umkehren. Dennoch war dies der Beginn eines noch lebhafteren Handels zwischen Südarabien und den Ländern am Mittelmeer. Den Schlußpunkt der Ausstellung bildet die monumentale Stele des Abraha mit einer langen Inschrift, die von den ruhmvollen Taten des Königs berichtet.

Die meisten der Objekte wurden bisher weder im Jemen selbst noch außerhalb dieses Landes gezeigt, etliche von ihnen sind allerneueste Grabungsfunde. Die Leihgaben stammen aus dem British Museum, dem Vorderasiatischen Museum Berlin, dem Staatlichen Museum für Völkerkunde München und der American Foundation for the Study of Man sowie Privatsammlungen. Der umfangreiche Katalog enthält nicht nur an die sechzig Aufsätze der namhaftesten Forscher auf den einzelnen Fachgebieten, er zeigt auch zahlreiche bisher unpublizierte Bilder dieses faszinierenden Landes und seiner Kulturen.


Information

9. November 1998
bis 21. Februar 1999

Künstlerhaus,
1010 Wien, Karlsplatz 5

to top