Thesauri Poloniae – Schatzkammer Polen
Zur Geschichte der polnischen Sammlungen
Die vom Warschauer Königsschloss und dem Nationalmuseum in Warschau gemeinsam mit dem Kunsthistorischen Museum veranstaltete Ausstellung „Thesauri Poloniae – Schatzkammer Polen“ ist der polnischen Sammlungsgeschichte von Kunstwerken gewidmet. Die Sammeltätigkeit der Könige, des Hochadels und der reichen Adeligen beginnt im Spätmittelalter und reicht über die Renaissance während der Jagiellonenherrschaft, die Epoche des Barock unter der Wasa-Dynastie, die Zeit der Wahlkönige, bis zum Zeitalter der Aufklärung und der Regierungszeit des letzten polnischen Königs Stanislaw August Poniatowski; ja, sie bestand sogar nach dem Verlust der Unabhängigkeit im Jahre 1795.
Westeuropäische Traditionen sind tief in der Kultur Polens verwurzelt, deshalb kam der Großteil der begehrten Sammlerstücke aus dem Westen. So stellte das alte Polen nicht nur einen fruchtbaren Kulturboden dar, sondern war für die westlichen Meister und damit für die Kunst überhaupt Mäzen und Impulsgeber zugleich.
Die kulturelle Position Polens gilt es in der Ausstellung zu zeigen. Diese umfaßt mehr als 180 Objekte aus den bedeutendsten Museen wie in Warschau, Krakau, Danzig, Posen sowie aus Kirchen, Klöstern, Bibliotheken und privaten Sammlungen, ergänzt durch Leihgaben aus dem Rijksmuseum in Amsterdam, dem Kremlin Museum in Moskau, der Biblioteca Ambrosiana in Mailand, der Herzog Anton Ulrich-Museum in Braunschweig, der Lviv Picture Gallery in Lemberg und dem Kunsthistorischen Museum in Wien.
Die Ausstellung ist in fünf Bereiche gegliedert:
I. Kirchliche Schatzkammer
In Kirchen und Klöstern Polens befinden sich reiche Kunstschätze vom frühen Mittelalter bis zum Klassizismus des 18. Jahrhunderts: Buchmalerei, liturgische Geräte und Gewänder, Altaraufsätze, Stein- und Holzskulpturen sowie Tapisserien. Besondere Aufmerksamkeit verdient der Kelch aus Tremessen (Trzemeszno); dazu kommen spätgotische Skulpturen (u. a. von Veit Stoß), das Triptychon aus Plawno,ein geschnitzter Renaissance-Altaraufsatz, der die Lebensgeschichte und das Martyrium des heiligen Stanislaus, des Patrons von Polen, zeigt sowie spätbarocke, ausdrucksstarke Skulpturen aus der Umgebung von Lemberg.
II. Die Stadt als Kunstsammler und Kulturzentrum
Die Städte Danzig und Krakau – die als Modellstädte anzusehen sind - werden in ihrer künstlerischen Prachtentfaltung vorgestellt. In Danzig begegneten einander im Laufe des 16. und 17. Jahrhunderts deutsch-niederländische (hanseatische) und polnische Elemente, woraus eine äußerst fruchtbare kulturelle Auseinandersetzung resultierte. Von größter Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die Ausstattung der Marienkirche in Danzig. Ihr Hauptwerk, Memlings prachtvolles Triptychon mit dem Jüngsten Gericht,das im Jahre 1473 als Beute von einem Raubzug zufällig Eingang in die Kirche fand, vermittelte den Danziger Patriziern wichtige künstlerische Impulse und war Anlaß dafür, daß der Altar mit dem hl. Reinhold direkt bei dem Niederländer Joos van Cleve bestellt wurde. Elemente der Innendekoration des Artushofes und des Rathauses von Danzig lassen das Rittertum wieder aufleben.
III. Die königliche Schatzkammer und die Sammeltätigkeit der polnischen Monarchen
Sitz des königlichen Hofes waren seit dem 14. Jahrhundert die Stadt Krakau und seit dem Ende des 16. Jahrhunderts die Stadt Warschau. Die Sammelleidenschaft der Jagiellonen setzte sich unter den Herrschern aus dem Hause Wasa fort und existierte weiter bis zu Jan III. Sobieski und dem sächsischen Geschlecht der Wettiner. Besonders reich dekoriert war die Residenz von Sigismund II. August, dem letzten Jagiellonen. Für ihn wurde in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts in Brüssel die Tapisserienfolge der sogenannten Wawel-Arazzi angefertigt. Von besonderer Bedeutung ist die Rekonstruktion der Kunstkammer von Wladyslaw IV. Wasa, die anhand eines Gemäldes aus dem Jahre 1626 entstand. Zu sehen sind Objekte der königlichen Schatzkammer sowie Teile des prunkvollen Tafelgeschirrs der polnischen Monarchen. Ergänzend werden prachtvoll gezeichnete Porträts von Mitgliedern der herrschenden Familien, insbesondere der Habsburger, gezeigt.
IV. Prunk und Pracht der Magnaten
Zu den größten Förderern von Kunst und Handwerk zählten in Polen neben der Kirche und dem Königshof die Großmagnaten. Sie umgaben sich in ihren Residenzen in der Stadt und auf dem Land mit prachtvollen Kunstwerken, die ihnen als Bestätigung ihres hohen gesellschaftlichen Status, ihres Reichtums sowie ihrer Ansprüche auf die Ausübung der politischen Macht dienten. Den Schwerpunkt bilden in der Ausstellung diesbezüglich Kunstwerke aus dem 17. und 18. Jahrhundert: Porträts, Tapisserien, Tafelaufsätze, Gewänder, Gewehre und Wappen. Die Porträtierten stellten sich entweder in westeuropäischer oder in polnischer Kleidung dar. Unter den typisch polnischen Bekleidungsstücken ist ein von einem Gürtel zusammengehaltener altpolnischer Oberrock zu nennen.
V. Sammeltätigkeit der polnischen Aristokratie zur Zeit des Königs Stanislaw August Poniatowski
In der Ausstellung kann weiters die Entwicklung verschiedener Kunstsammlungen nachvollzogen werden. Die bedeutendste unter ihnen war diejenige des letzten polnischen Königs Stanislaw August Poniatowski, eines prominenten Förderers der Kultur der Aufklärung. Er besaß Bilder, Zeichnungen, Illustrationen, Medaillen und Bücher, darunter Gemälde von Bernardo Bellotto, Anton Raphael Mengs und Angelica Kauffmann sowie Meisterwerke der Genre- und Landschaftsmalerei. Weiters ist die Ausstellung großen aristokratischen Sammlungen aus dem Zeitraum von ca. 1770 - 1810 gewidmet, etwa der Sammlung der Fürstin Izabela Lubomirska aus Lancut und derjenigen des Stanislaw Kostka Potocki aus Wilanów. Das historische Museum der Fürstin Izabela Czartoryska in Pulawy repräsentiert den Anfang des modernen Museumswesens in Polen.
Information
3. Dezember 2002
bis 2. März 2003