Meisterwerke der Geigenbaukunst
Die Streichinstrumentensammlung der Oesterreichischen Nationalbank
Die Sammlung wertvoller alter Streichinstrumente der Oesterreichischen Nationalbank, die im Jahre 1989 anlässlich der Herausgabe der ersten österreichischen Goldbarrenmünze „Wiener Philharmoniker“ vorerst mit dem Ankauf von drei Violinen begonnen wurde, umfasst mittlerweile 34 Instrumente. Bei der Zusammenstellung der Sammlung wurde auf aussergewöhnliche Instrumente von berühmten Geigenbauern wie zum Beispiel Amati, Stradivari, Guarneri del Gesù oder Stainer Wert gelegt. Sämtliche Instrumente sind an österreichische Musiker unentgeltlich verliehen und ständig im Konzertbetrieb im In- und Ausland zu hören. Erstmalig wird nun im Kunsthistorischen Museum Wien eine Auswahl von 28 dieser Instrumente im Rahmen einer Ausstellung gezeigt.
Die Oesterreichische Nationalbank hat während der vergangenen sechzehn Jahre eine Sammlung hochwertiger Streichinstrumente aufgebaut, die sich in Fachkreisen auch international großer Bekanntheit erfreut. Diese Wertschätzung ist einerseits durch das hohe Qualitätsniveau der Instrumente und andererseits durch die Tatsache begründet, dass diese Streichinstrumente an österreichische Musiker verliehen werden und dadurch weltweit regelmäßig in den bedeutendsten Konzertsälen zu hören sind. Die Sammlung bildet inzwischen ein Stück österreichischer Identität und trägt dazu bei, dem kulturellen Erbe auf dem Gebiet der Musik jenes hohe Niveau zu erhalten, das Österreich seit Jahrhunderten auszeichnet. Als Sammlungsziel stehen Instrumente mit einem hohen klanglichen Potenzial an oberster Stelle, ohne dass damit eine Ausrichtung auf einen bestimmten Geigenbauer oder eine spezielle Stilrichtung verbunden wäre.
Aus dem inzwischen auf 34 Instrumente angewachsenen Bestand können nun erstmals in der Sammlung alter Musikinstrumente 28 Meisterwerke gezeigt werden. Noch nie wurde in Österreich in einer öffentlichen Sammlung ein derart vollständiger Überblick über die Hauptwerke des klassischen italienischen Geigenbaus geboten. Der „Ahnvater“ des Cremoneser Geigenbaus, der um 1505 geborene Andrea Amati, ist mit einem ihm zugeschriebenen Violoncello vertreten. Bemerkenswerter Weise besitzt dieses frühe Instrument bereits alle wesentlichen Stilmerkmale, die später die klassischen Meisterwerke des Geigenbaus auszeichnen werden. Obwohl räumlich nur einige Dutzend Kilometer entfernt, weist die Brescianer Schule gänzlich andere Charakteristika auf, wie dies die Viola von Giovanni Paolo Maggini deutlich macht. Von Antonio Stradivari, der ohne Übertreibung als der genialste Geigenbauer aller Zeiten anzusehen ist, sind in der Ausstellung sechs Instrumente zu sehen, die einen Überblick über seine stilistische Entwicklung zwischen 1698 und 1725 geben. Obwohl der Cremoneser Meister an der Wende zum 18. Jahrhundert bereits weit über fünfzig Jahre zählte, begann in diesen Jahren seine beste Schaffenszeit, die allgemein als die „Goldene Periode“ bezeichnet wird. Stradivaris Werke zeichnen sich sowohl durch ihre klangliche Qualität als auch durch die exzellente Holzwahl, die Leuchtkraft des Lacks und die von keinem anderen Geigenbauer übertroffene Fertigkeit in der handwerklichen Ausführung aus. Anders ist die Situation bei seinem nicht weniger berühmten Zeitgenossen Giuseppe Guarneri del Gesù, von dem zwei Instrumente ausgestellt sind. Guarneris Violinen besitzen ein anders, dunkleres Timbre und ein schier unerschöpfliches Klangvolumen, aber nicht die handwerkliche Raffinesse der Instrumente Stradivaris. Die „nachklassische“ Periode des Cremoneser Geigenbaus ist mit Carlo und Michelangelo Bergonzi und Giovanni Battista Ceruti vertreten. Einen Schwerpunkt der Ausstellung bilden fünf Instrumente (drei Violinen, eine Viola und ein Violoncello) von Giovanni Battista Guadagnini, der nicht nur wiederholt seinen Wohnsitz wechselte, sondern mit diesen Ortsveränderungen meist auch eine deutlich bemerkbare Änderung des Personalstils vollzog. Die fünf ausgestellten Instrumente entstanden zwischen 1743 und 1784 und decken somit die wichtigsten Stationen seiner stilistischen Entwicklung ab.
Auch wenn heute ins Bewusstsein vieler Musikliebhaber Cremona als die Stadt des Geigenbaus eingeprägt ist, darf darüber nicht vergessen werden, dass auch in zahlreichen anderen italienischen Städten Geigenbau auf hohem Niveau florierte. In der Ausstellung wird dies durch hervorragende Arbeiten aus Venedig (Violinen von Domenico Monatagnana und Sanctus Seraphin), Mailand (Violoncello von Giovanni Grancino), Neapel (Violine von Vincenzo Ventapane), Piacenza (Violine von Gaspare Lorenzini) und Rom (Violoncello von David Tecchler) belegt. Der außeritalienische Geigenbau ist mit je einer Violine von Nicolas Lupot und Jacob Stainer vertreten.
Wie erwähnt lag das Hauptaugenmerk bei der Erstellung der Sammlung wertvoller Streichinstrumente der Oesterreichischen Nationalbank auf dem klanglichen Potenzial. Es darf dabei jedoch nicht vergessen werden, dass diese Musikinstrumente zusätzlich eine Investition darstellen, die in den vergangenen Jahren eine nicht unbeträchtliche Wertsteigerung erfahren hat. Der Gewinn für Österreich als Kulturnation ist daher ein mehrfacher. Abgesehen von diesem monetären Aspekt stellen der Aufbau der Sammlung und die leihweise Überlassung der Instrumente sowohl an junge Musiker als auch an arrivierte Künstler das Engagement der Oesterreichischen Nationalbank für das heimische kulturelle Leben eindrucksvoll unter Beweis. Die Zusammenarbeit mit dem Kunsthistorischen Museum bietet nun die einmalige Gelegenheit, diese Meisterwerke der Geigenbaukunst in einer wissenschaftlich fundierten Ausstellung optisch zu erleben.
Information
23. November 2005
bis 28. November 2005