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DER SPÄTE TIZIAN

und die Sinnlichkeit der Malerei

Im Anschluss an die im Vorjahr gezeigte Ausstellung „Bellini, Giorgione, Tizian und die Renaissance der Venezianischen Malerei“, die aus einer Zusammenarbeit mit der Washington National Gallery hervorging, präsentiert das Kunsthistorische Museum eine weitere Schau, die nun das Spätwerk Tizians in den Mittelpunkt stellt. „Der Späte Tizian und die Sinnlichkeit der Malerei“ wird am 17. Oktober 2007 in Wien eröffnet und anschließend ab Februar 2008 in Venedig (Gallerie dell’Accademia) zu sehen sein.

Die Ausstellung, der eine lange Forschungs- und Planungsphase voran ging, enthält ca. 60 Gemälde, davon über 30 Fremdleihgaben, und spannt einen weiten thematischen Bogen vom fruchtbaren kulturellen Nährboden Venedigs im dritten Viertel des 16. Jahrhunderts, über Tizians Künstlerkollegen (vor allem Schiavone, Tintoretto und Jacopo Bassano), seine Auftraggeber und Sammler bis hin zur Figur des Künstlers selbst. Der Hauptfokus liegt auf Tizians letzten 25 Schaffensjahren, die vor dem Hintergrund seiner familiären Umstände, Erbschaftsfragen sowie der Rolle der Werkstattmitarbeiter betrachtet werden. Darüber hinaus werden um die 15 zeitgenössische Graphiken aus dem Bestand der Albertina zu sehen sein, die einerseits die große Popularität von Tizians Werken veranschaulichen und andererseits durch die Vereinfachung von thematischen Subtilitäten seine Bildsprache dem Geschmack eines breiteren Publikums näher brachten.

Die Malweise Tizians später Phase mit ihrem zunehmend offeneren Pinselstrich bis hin zur so genannten „Fleckenmalerei“ (pittura di macchie) überraschte, irritierte und empörte nicht nur einige Auftraggeber sowie Literaten und Kunsttheoretiker seiner Zeit, sondern verstört auch heute noch so manchen Betrachter. Erst in den letzten Jahren wird diese Malweise Tizians, die oft innerhalb eines Gemäldes eine enorme Variationsbreite aufweist, als äußerst wirkungsvolles Mittel zur Steigerung der dargestellten Dramatik interpretiert. Die Sinnlichkeit des Pinselstrichs erreicht ihren Höhepunkt bei erotisch-poetischen Themen, bei denen Tizian die Schönheit des weiblichen Körpers in den Mittelpunkt rückt. Im Lauf der Jahre wird seine Malweise jedoch immer stärker mit einer spirituellen Ausdruckskraft und Schmerzensmystik aufgeladen, die die Todesvisionen des greisen Künstlers erahnen lassen.

Zentrale Fragen rund um einige Spätwerke Tizians, denen eine ungeheure Expressivität und ein bemerkenswerter philosophischer Gehalt eigen ist und die trotz ihrer Vielfärbigkeit nahezu monochrom erscheinen, sind bis heute offen: Ist in ihnen Tizians Künstlervision umgesetzt oder handelt es sich lediglich um unvollendete Gemälde? Und in welchem Ausmaß können Tizians Spätwerke als eigenhändig angesehen werden? Dank umfangreicher technischer und wissenschaftlicher Untersuchungen vieler seiner Gemälde lassen sich inzwischen die Herstellungsprozesse und die Rolle der Mitarbeiter besser beurteilen. Im Rahmen eines vom Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) finanzierten Projektes wurden nun auch die Gemälde des Kunsthistorischen Museums eingehend analysiert, was zu erstaunlichen Ergebnissen führte.

Im Hinblick auf die Ausstellung hat das Kunsthistorische Museum die hochkomplexe und schwierige Restaurierung eines der bedeutendsten Spätwerke Tizians, des Gemäldes Nymphe und Schäfer, vorgenommen. Daneben werden weitere Schlüsselwerke seines Spätstils zu sehen sein: Tarquinius und Lucretia aus Cambridge (dieser Fassung werden zwei Versionen desselben Themas gegenübergestellt), die berühmte Schindung des Marsyas aus Krom i , der Heilige Sebastian der Eremitage in Sankt Petersburg, der Knabe mit Hunden aus Rotterdam, zwei Danae-Fassungen aus Madrid und Wien sowie die drei Venus-Darstellungen aus Washington, Rom und New York.

Aus dem Bereich der Porträtmalerei sind einige erst kürzlich restaurierte Werke zu sehen, etwa das bestechende Selbstbildnis aus dem Prado oder die Mädchen mit dem Fächer aus Dresden. Die religiöse Bildgattung ist durch mehrere Versionen zum Thema der Magdalena in der Wüste, des Hl. Hieronymus und des Ecce Homo vertreten. Dazu kommen die Verkündigung aus der Kirche von San Salvador in Venedig und die speziell für diese Ausstellung gereinigte Kreuzigung aus der Sakristei des Escorial.

Ziel der Ausstellung ist es, neues Licht auf Tizians Stilentwicklung zu werfen, auf seine Maltechniken und seinen nahezu alchemistischen Umgang mit Materialien, der ihm dazu verhalf, den von ihm empfundenen Zauber der Welt auf sinnliche Weise einzufangen. Getragen wird die Ausstellung von Tizians Werken, denn stärker noch als Geschichten zur Kunst sind es die Bilder selbst, die uns berühren.

Information

17. Oktober 2007
bis 6. Januar 2008

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