Ansichtssache #19
Martin Marquart. Ein Goldschmied und seine verborgene Seite
Im Mittelpunkt der Ansichtssache #19 steht das Bildnis des Augsburger Goldschmiedes Martin Marquart, das um 1560 entstand und erst kürzlich restauriert wurde. Damit erstrahlt nicht nur der Dargestellte in neuem Glanz, sondern auch die bemalte Rückseite, die wohl erstmals überhaupt öffentlich gezeigt werden kann. Sie weist eine äußerst ungewöhnliche Thematik auf, denn bei der Szene eines Satyrs, der in Gegenwart des weinenden Amorknaben einer Nackten eine Kette überreicht, handelt es sich um ein Sinnbild käuflicher Liebe. So mag dem Mann, hier durch den triebhaften und hässlichen Satyr repräsentiert, auch das Liebesglück abhandengekommen sein, wie Amors Klagen veranschaulichen – immerhin aber bietet sich dem Wohlhabenden noch der Trost käuflicher Lustbefriedigung. Vielleicht ließ Marquart die Rückseite erst in fortgeschrittenem Alter, und zwar als Witwer, mit der dann durchaus auch augenzwinkernd zu verstehenden Szene schmücken, wobei die dargereichte Goldschmiedearbeit eine Brücke zu seinem Berufsstand schlägt. Vorstellbar ist, dass das Werk als eine Art Möbel- oder Nischentür im Privatbereich unseres Goldschmiedes gedient hat, wo nur ausgewählte Besucher die anzügliche Rückseite zu Gesicht bekamen. Reste von Scharnieren belegen zumindest, dass es einst klappbar war.
Martin Marquart, dessen Nachnamen die (erneuerte) Inschrift auf der Vorderseite verrät, gehörte im 3. Viertel des 16. Jahrhunderts zu den erfolgreichsten Vertretern seines Berufsstandes in der Goldschmiedemetropole Augsburg. So lieferte er seit den 1560er Jahren zahlreiche Arbeiten an den Wiener Kaiserhof und an den bayerischen Herzog.
Lange wurde der Schöpfer des unsignierten Werkes in der Nachfolge des Augsburger Porträtmalers Christoph Amberger gesucht; wahrscheinlicher aber handelt es sich bei ihm um einen gebürtigen, in Italien geschulten Niederländer.
Seit 2012 wird die Gemäldegalerie mehrmals im Jahr durch die Reihe Ansichtssache als lebendiger Ort der Forschung und Wissensvermittlung sichtbar gemacht. Im Fokus steht dabei jeweils ein außergewöhnliches Bild der Sammlung, das aus Platzgründen nur selten gezeigt wird oder das durch jüngere Forschungsergebnisse zu einer erneuten Betrachtung einlädt.
Information
21. Juli 2017
bis 19. November 2017