Hautnah
Drei außergewöhnliche Bildnispaare
Als Leihgabe aus Privatbesitz präsentiert das Kunsthistorische Museum das aufsehenerregende Bildnis eines 56-jährigen Mannes von Frans Pourbus d.J. (Antwerpen 1569 –1622 Paris), das bis vor kurzem verschollen war. Für drei Monate wird es bei dieser Gelegenheit auch wieder auf sein Gegenstück aus San Francisco treffen, das die 54-jährige Ehefrau des Unbekannten zeigt. Gemalt 1591, beeindrucken die beiden aus der Antwerpener Frühzeit des Malers stammenden Gemälde insbesondere durch die ungewöhnlich naturalistisch aufgefassten Züge der Dargestellten. Die Pendants dürften Anfang des 18. Jahrhunderts in den Besitz von Lothar Franz von Schönborn gelangt sein, Kurfürst und Erzbischof von Mainz und Fürstbischof von Bamberg, und hingen lange Zeit in der Galerie seines Schlosses Weißenstein (Pommersfelden/Oberfranken). Nachdem sie mit weiteren Gemälden seiner berühmten Sammlung 1867 verkauft wurden, trennten sich jedoch ihre Wege: Während das Frauenbildnis 1985 in das Museum von San Francisco gelangte, war der Verbleib des männlichen Gegenstücks die letzten Jahrzehnte unbekannt geblieben. Erst 2014 tauchte es wieder auf und wurde bald darauf vom jetzigen Eigentümer erworben.
Nachdem beide Werke, die zu den besten flämischen Porträts des späten 16. Jahrhunderts zählen, bereits im letzten Jahr auf einer Ausstellung zur Renaissance-Malerei in Brügge wieder zusammen zu sehen waren, soll in Wien die Aufmerksamkeit auf die akribisch getreue Wiedergabe der Gesichter des unbekannten Paares gelenkt werden. Aus diesem Grund wird die Präsentation noch um zwei Bilderpaare aus dem Bestand des Museums ergänzt, die durch vergleichbar veristische Züge auffallen. Barthel Beham (Nürnberg? 1502–1540 Bologna) malte 1529 bzw. wenig später die Porträts eines Ehepaares, von denen besonders das des Mannes durch seine außerordentliche Lebendigkeit zu fesseln vermag. Die exakte Darstellung der Haut, und zwar der gealterten, wird bei den knapp zweihundert Jahre später entstandenen Köpfen eines greisen Paares von Balthasar Denner (Hamburg-Altona 1685–1749 Rostock) sogar zum eigentlichen Thema der Malerei. Von ihnen kann die Alte Frau als der beste und berühmteste jener hyperrealistisch anmutenden Phantasieköpfe alter Menschen gelten, durch die der heute fast vergessene Künstler europaweit Furore machte. Besonders reizvoll ist sicher die Gegenüberstellung dieses nur selten gezeigten Bildes mit Pourbusʼ unbekanntem Mann, dessen faltige Gesichtshaut Denners „Porenmalerei“ vorwegzunehmen scheint.
Die Zusammenschau der drei Paare spannt so nicht nur einen Bogen vom Detailrealismus der altdeutschen Bildnismalerei über die veristische Spielart der flämischen Porträtkunst des späten 16. Jahrhunderts bis hin zur europäischen Mode der Feinmalerei um 1700, in die sich auch Denners Charakterköpfe einordnen lassen. In den beiden deutschen Bildnispaaren machen sich zugleich auch unterschiedlich starke niederländische Einflüsse bemerkbar. Beham zeigt sich zum einen dem stofflichen Realismus der älteren niederländischen Malerei verpflichtet; zugleich reflektiert das Männerbildnis dessen Kenntnis aktueller Strömungen der dortigen Porträtkunst. Denner dagegen steht mit seinen Greisenköpfen in der niederländischen Tradition der „Tronies“, also Typen- bzw. Charakterköpfe, von denen insbesondere die feinmalerischen Beispiele des frühen Rembrandt und seines Kreises aus der Zeit um 1625/30 auf ihn Eindruck gemacht haben.
Information
26. Juni 2018
bis 23. September 2018