Mark Rothko
Mark Rothko (1903–1970) gehört zu den bedeutendsten Künstlern des zwanzigsten Jahrhunderts. Zum ersten Mal überhaupt werden nun seine Werke in Österreich gezeigt. Die Ausstellung bietet mit über vierzig seiner Hauptwerke einen Überblick über Rothkos gesamtes Schaffen – von seinen figurativen Anfängen in den 1930er Jahren über die Werke, die er im folgenden Jahrzehnt in seiner sogenannten Übergangsphase schuf, bis zu den revolutionären Bildern aus den 1950er und 1960er Jahren. Kate und Christopher Rothko, die Kinder des Malers, waren von Beginn an in das Projekt eingebunden und haben sich bereit erklärt, eine Reihe bedeutender Werke aus der Familiensammlung für die Ausstellung zu leihen.
Die Ausstellung wird im Kunsthistorischen Museum gezeigt, dessen historische Sammlungen fünftausend Jahre menschlichen Schaffens vom Alten Ägypten bis zum Barock nachzeichnen, wodurch sich die einmalige Gelegenheit bietet, sich mit Rothkos tiefem, lebenslangem Interesse für die Kunst der Vergangenheit auseinanderzusetzen. Von seinen frühen Besuchen des New Yorker Metropolitan Museum während seiner Studienzeit, über seine ersten Begegnungen mit Rembrandt, Vermeer und der klassischen Kunst und Architektur, bis zu seinen Reisen nach Europa, wo er Kirchen, Kapellen und Sammlungen von Altmeistergemälden in Paris, London, Venedig, Arezzo, Siena, Rom, Pompeji und Florenz besichtigte, widmete sich Rothko dem Studium historischer Kunst und Architektur.
Die Schau beleuchtet den Einfluss bestimmter Orte auf Rothkos stilistische Entwicklung von Michelangelos Biblioteca Medicea Laurenziana und Fra Angelicos Fresken im Konvent von San Marco in Florenz zu den griechischen Tempeln von Paestum und der Taufkapelle der Basilika Santa Maria Assunta auf Torcello in der Lagune von Venedig. Als Rothko in späteren Jahren mit dieser Tradition brach, um zu einer radikal neuen Form künstlerischen Ausdrucks zu gelangen, tat er dies auf der Basis eines umfangreichen Wissens und voller Hochachtung für das, was seiner Zeit vorausgegangen war. Mit den Worten des Kritikers John Berger schaute Rothko zurück, »wie dies kein Maler zuvor je getan hatte«.
Die Ausstellung zeigt die radikale Entwicklung der Arbeit Rothkos über mehrere Jahrzehnte hinweg: von seinen frühen figurativen Gemälden der 1930er Jahre, über die Zeit der Wende in den 1940er Jahren, bis zu den bahnbrechenden reifen Arbeiten der 1950er und 1960er Jahre. Den Kern der Ausstellung bildet ein ganzer Saal großformatiger, 1958/59 entstandener Wandbilder, die ursprünglich für das Seagram Building in New York in Auftrag gegeben wurden. Abschließend folgt ein Saal mit klassischen Gemälden aus dem letzten Lebensjahrzehnt Rothkos, die vor Augen führen, wie er von den Altmeistertechniken lernte, Farben übereinanderzuschichten begann wie Tizian und zu einem an Rembrandt erinnerndes Gefühl für „inneres Licht“ fand.
Kurator der Ausstellung ist Jasper Sharp, der von Christopher Rothko eng unterstützt und beraten wurde. Neben Museen wie der Fondation Beyeler in Riehen, dem Jewish Museum in New York, dem Kunstmuseum Bern, dem Kunsthaus Zürich und dem Kunstmuseum Basel konnten die Familie Rothko und die National Gallery of Art in Washington, D.C., als wichtige Leihgeber für die Schau gewonnen werden.
In den letzten Jahren hat sich das Kunsthistorische Museum verstärkt für Kunst und KünstlerInnen der jüngeren Zeit eingesetzt, um deren komplexem Verhältnis zu diesen historischen Sammlungen nachzugehen. 2013 startete mit einem dem Maler Lucian Freud gewidmeten Überblick, der gemeinsam mit dem Künstler vor dessen Tod konzipiert wurde, ein neues Programm von Großausstellungen. Die Reihe wurde 2015 mit einer Retrospektive zu Joseph Cornells boxes und Collagen im Dialog mit der Kunstkammer fortgesetzt ‒ der ersten Schau des Künstlers in Europa seit mehr als dreißig Jahren. Die Mark-Rothko-Ausstellung 2019 verfolgt diesen Dialog weiter.
Biografie Mark Rothko
Mark Rothko wurde am 25. September 1903 als Marcus Rotkovich im russischen Dwinsk (heute Daugavpils, Lettland) geboren. 1913 wanderte die Familie nach Portland, Oregon aus. Nach der Highschool erhielt Rothkowitz (wie die US-Einwanderungsbehörde seinen Namen registriert) ein Stipendium der Yale University, die er 1923 ohne Abschluss in Richtung New York verließ. Vergleichsweise spät kam er durch die klassische Form der Aktmalerei zur Kunst. Erste expressive Portraits und Landschaften führten ihn in den 1930er-Jahren zur Serie der Subway-Bilder. Er war Teil der Künstlergruppe The Ten, die bis 1939 bestand.
Rothko begann bereits am Anfang seiner Malerkarriere Kunstunterricht zu geben, unter anderem an der 1948 selbstgegründeten Schule Subjects of the Artist. 1940 schrieb er an einem erst posthum als Die Wirklichkeit des Künstlers veröffentlichten Manuskript zu philosophischen Betrachtungen über die Kunst und wandte sich schließlich unter Einfluss Adolph Gottliebs mythologischen Themen zu. Ab der Mitte der 1940er Jahre entstanden einige Werke unter surrealistischem Einfluss, die ihn schließlich zur abstrakten Formensprache der sogenannten Color Field Paintings führen. Zu dieser Zeit trat Rothko seine erste von insgesamt vier Europareisen an. Vor allem Italien zog ihn mit seinen antiken Bauten und Meisterwerken der Renaissance in den Bann.
Ab 1958 arbeitete er vermehrt an Werkserien, die auf die Ausgestaltung spezifischer Räume ausgerichtet waren. Neben Aufträgen für das Seagram Building in New York (heute teilweise Tate Gallery, London) oder das Holyoke Center der Harvard University, stellten die 1964–1967 entstandenen Wandgemälde für eine Kapelle in Houston, Texas, einen Höhepunkt seines Schaffens dar. Im Juni 1969 wurde die Mark Rothko Foundation gegründet. Da der Zweck nicht genau festgelegt wurde, kam es nach seinem Selbstmord im Jahr 1970 zu einem langjährigen Rechtsstreit um Rothkos Nachlass. Kate Rothko wurde schließlich zur alleinigen Erbin erklärt. Auf Anordnung des Gerichts wurde eine neue Rothko Foundation gegründet, die mehr als die Hälfte der Werke aus Rothkos Nachlass erhielt.
Abbildung: Mark Rothko
No. 16 (Red, White and Brown)
1957, Öl auf Leinwand
© 1998 Kate Rothko Prizel & Christopher Rothko/Bildrecht, Wien, 2019
© Foto: Kunstmuseum Basel
Information
12. März 2019
bis 30. Juni 2019