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Schätze der Kalifen

Islamische Kunst zur Fatimidenzeit

Das Kunsthistorische Museum präsentiert erstmals Kunst und Kultur der Fatimiden, einer der erfolgreichsten Dynastien des Islam. In der Geschichte des islamischen Ägypten stellt ihre zweihundertjährige Herrschaft von 969 bis 1171 n. Chr. einen glanzvollen Höhepunkt dar.

Die Ausstellung umfaßt ca. 270 Objekte, die vor allem aus dem Museum Islamischer Kunst in Kairo, aus einer Sammlung aus Kuweit, aus dem Nationalmuseum Damaskus, dem Benaki Museum in Athen, von der Israel Antiquities Authority, dem Institut du Monde Arabe, Paris und dem Museum für Islamische Kunst, Berlin sowie von zahlreichen weiteren Museen in Europa stammen. Auch österreichische Museen lieferten wertvolle Beiträge: das Museum für angewandte Kunst, die Papyrussammlung der Österreichischen Nationalbibliothek, das Stiftsmuseum Klosterneuburg und das Kunsthistorische Museum.

Die Fatimiden betrachteten sich als Nachkommen von Fâtima, der Tochter des Propheten Muhammad und leiteten daraus ihren Anspruch auf die Nachfolge des Propheten ab. Geleitet von diesem politischen und religiösen Sendungsbewußtsein versuchten sie im Spannungsfeld zwischen den Berberstämmen in Nordafrika, die Kalifen von Bagdad und Byzanz, später im Kampf mit den Kreuzfahrern die gesamte islamische Welt unter ihre Vorherrschaft zu bringen.

Um die Mitte des 9. Jahrhunderts treten sie erstmals in Khûzistân am Arabisch-Persischen Golf, einem heute iranischen Territorium, als Führer einer schiitischen Sekte, der Ismailiten, in Erscheinung. Von 910 bis 973 herrschten die Fatimiden als Kalifen in Ifrîqiya, dem heutigen Tunesien. Ihr Kalifat war ein schiitisch-ismailitisches Gegenkalifat zu dem sunnitischen Kalifat der Abbasiden von Bagdad und dehnte seine Macht zunächst über den ganzen Magreb bis an die marokkanische Atlantikküste aus.

969 unterstellte sich Ägypten, eine Provinz des Bagdader Kalifats, nach inneren Krisen, dem Schutz der mächtigen fatimidischen Kalifen des Maghreb. Einige Kilometer nordöstlich der alten ägyptischen Metropole al-Fustât wurde die neue Palaststadt Al-Qâhira (Kairo) errichtet, die seit 973 für die gesamte fatimidische Epoche als Kalifenresidenz zu einer glänzenden Metropole aufstieg. Der Einflußbereich des Kalifats der Fatimiden erstreckte sich von den fatimidischen Provinzen Nordafrikas und Sizilien über Mekka und Medina bis nach Palästina und Syrien, ans Rote Meer und nach dem Jemen.
Ab der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts erfolgte jedoch ein langsamer Niedergang. Viele Gebiete fielen ab, durch den ersten Kreuzzug (1096-1099) gingen Syrien und Palästina, bald viele wichtige Städte an der östlichen Mittelmeerküste verloren. Das Kalifat von Kairo schrumpfte auf sein ägyptisches Territorium und einige kleine Gebiete im Nordosten und im Westen zusammen. Die Sekte der Ismailiten spaltete sich in einem Schisma, das bis zum heutigen Tag fortbesteht. Der christliche König von Jerusalem Amalrich besetzte in den sechziger Jahren des 12. Jahrhunderts mit einem fränkischen Kreuzfahrerheer Kairo und machte es zu einem Protektorat der Kreuzfahrer.

Schließlich setzte der syrische Offizier kurdischer Herkunft, Salâh al-Dîn (Saladin) 1171 den letzten Kalifen der Fatimiden ab, leistete den Abbasiden den Treueeid, kehrte zur Sunna zurück und begründete die Ayyubiden-Dynastie.

Die Ausstellung ist in vier Bereiche gegliedert. Der erste stellt die Palaststadt Kairo vor, die als Residenz, Sitz der Zentralverwaltung des Reiches und Armeelager diente. Die Pracht der Paläste, Zeughäuser, Magazine, Moscheen, Bibliotheken und zahlreicher Plätze lassen Friese aus geschnitztem Holz mit zeitgenössischen Szenen - Musiker, Jagden, kämpfende Tiere - aus dem Museum islamischer Kunst in Kairo erahnen. Die Architektur der Fatimiden zeichnet sich vor allem durch die Fülle des Dekors aus Marmor und Gips, der Wandmalereien und holzgeschnitzten Paneele aus. Vom höfischen Leben geben Schmuck, Glas, Bergkristallgefäße, Textilien, Elfenbeingegenstände, Holzschnitz- und Metallarbeiten Zeugnis. Beispiele der Kalligraphie sowie Illustrationen haben sich in der Papyrussammlung der Österreichischen Nationalbibliothek erhalten. Der Staatsschatz der Fatimiden dürfte unermeßliche Ausmaße gehabt haben.

Der zweite Themenbereich behandelt das religiöse Leben der Fatimiden, das u. a. in wunderschön ornamentierten Gebetsnischen aus Moscheen, Grabstelen und Blättern aus Koranhandschriften dokumentiert ist. Der Kalif war das Oberhaupt (Imâm) der schiitischen Sekte der Ismailiten. Die Große Moschee al-Azhar (die Glänzende) wurde 970 bis 972 im Südosten von Kairo gebaut. Die Fatimiden übten sowohl gegenüber der mehrheitlich sunnitisch muslimischen Bevölkerung in Ägypten und Palästina-Syrien als auch gegenüber den koptischen Christen Toleranz.

Einen Einblick in das tägliche Leben im Fatimidenreich bieten Gebrauchsgegenstände wie Keramik, Glasgefäße, Lampen, Marmorgefäße sowie Münzen und Gewichte und Fragmente von Kleidungsstücken.

Der vierte Bereich der Ausstellung ist der Ausstrahlung und Nachwirkung fatimidischer Kunst gewidmet. In Sizilien, das vom frühen 10. bis Ende des 11. Jahrhundert den Fatimiden unterstanden war, herrscht auch noch zur Zeit der Normannen der Einfluß fatimidischer Kunst. Viele ihrer Bauten, wie der Palast in Palermo mit der Capella Palatina, aber auch Kirchen, zeigen den Einfluß islamisch fatimidische Formen, deren Auswirkungen bis zur Palastarchitektur der Hohenstaufen in Italien reichte.

In den königlichen Werkstätten in Palermo arbeiteten muslimische Handwerker, die auch den Krönungsmantel Rogers II., heute in der Weltlichen Schatzkammer des Kunsthistorischen Museums in Wien, 1133/34 herstellten.

Die Produkte zahlreicher muslimische Handels-und Manufakturunternehmen in Sizilien und Süditalien, wie Elfenbeinkästchen und sogenannte Olifanten, Hörner aus Elefantenstoßzähnen, von denen zwei Beispiele aus dem Besitz des Kunsthistorischen Museums zu sehen sind, zeigen charakteristischen fatimidischen Schnitzdekor mit Blattwerk-Friesen, Tieren und Vögeln.

Nachdem 1068/69 im Zuge innerer Unruhen die Schatzkammern des Kalifen-Palastes in Kairo geplündert worden waren, gelangten tausende Kostbarkeiten über die Bazare Kairos in den Mittelmeerhandel und viele weiter in europäische Kirchenschätze, wo sie einer christlichen Verwendung zugeführt wurden, zum Beispiel als Reliquienbehälter oder für geweihte Substanzen. Die berühmtete Bergkristallkanne aus dem Domschatz von San Marco in Venedig, die in der Ausstellung zu sehen ist, ist wohl auf diese Weise nach Europa gekommen.

Viele weitere fatimidische Güter erreichten im Mittelalter Europa, sei es über den intensivierten Mittelmeerhandel, über Pilger oder als Kriegsbeute zur Zeit der Kreuzzüge.


Information

16. November 1998
bis 21. Februar 1999

Künstlerhaus,
1010 Wien, Karlsplatz 5

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