Maurizio Cattelan
In Fortsetzung unserer Reihe von Ausstellungen zeitgenössischer Kunst im Theseustempel zeigen wir heuer ein Werk des italienischen Künstlers Maurizio Cattelan. Eine Taubenschar hockt hoch oben auf dem Gesims eines leeren Raumes. Die Vögel sitzen in kleinen Gruppen oder alleine und scheinen die Besucherinnen und Besucher tief unter sich zu mustern, wie diese amüsiert über die ungewöhnliche Situation, in der sich alle Beteiligten befinden. Nach einer Weile bemerken wir, dass dies keine lebenden Tiere sind.
Die 15 ausgestopften Vögel sind eine Installation des Künstlers Maurizio Cattelan. Dieser wurde 1960 in Padua geboren und ist einer der bekanntesten und provokantesten Künstler der Gegenwart. Alle seine humoristischen und satirischen Figuren – von La Nona Ora
(1999), einer Wachsstatue des von einem Meteorit getroffenen Papstes Johannes Paul II., bis Him (2001), einer lebensgroßen Figur, die Adolf Hitler als im Gebet kniendes Kind darstellt – sind kontrovers und regen zu Diskussionen an. Wie früher ein Hofnarr instrumentalisiert Cattelan Respektlosigkeit und das Absurde, um gesellschaftliche
Konventionen und Hierarchien zu hinterfragen und auszuhöhlen.
Vor über zwanzig Jahren lud der Kurator Germano Celant Cattelan ein, an der Biennale 1997 teilzunehmen. „Ich fuhr ungefähr einen Monat vor der Eröffnung nach Venedig, um mir den Pavillon anzuschauen“, erzählte Cattelan später. „Drinnen herrschte das völlige Chaos und alles, wirklich alles war voller Tauben. Für mich als Italiener war es, wie wenn man etwas sieht, das man nicht sehen soll, so wie beispielsweise das Ankleidezimmer des Papstes. Aber auf der anderen Seite ist das doch die Situation in Venedig, und deshalb dachte ich, ich sollte es einfach so präsentieren, wie es ist, als eine völlig normale Situation.“
Der Titel des Werkes – Turisti (Touristen) – ist ein humoristischer Verweis auf die Besucherhorden, die Venedig und die Biennale regelmäßig heimsuchen und die nur noch von der Anzahl der in der Stadt ansässigen Tauben übertroffen werden. Cattelans Werk blickt
auf den leeren Raum hinunter, in dem einst Antonio Canovas monumentale Marmorgruppe Theseus besiegt den Kentauren ausgestellt war (übrigens ein Landsmann von Cattelan, der gut 200 Jahre früher in einer Stadt nicht weit von Venedig zur Welt kam). Er spielt so auf die Vergänglichkeit der Zeit sowie die Demonumentalisierung der Kunst an und lädt uns ein, unsere persönliche Beziehung zur Stadt, ihren Gebäuden und Grünflächen zu hinterfragen. Wer, so könnte man fragen, ist denn hier eigentlich der Tourist?
Das ausgestellte Werk ist im Besitz der Sammlung Prada und wurde in Zusammenarbeit mit ihr ausgewählt. Auch für die Ausstellung Spitzmaus Mummy in a Coffin and Other Treausures, kuratiert von Filmemacher Wes Anderson und Autorin und Illustratorin Juman
Malouf, haben das Kunsthistorische Museum und die Fondazione Prada kooperiert. Die Ausstellung, die noch bis 28. April in Wien zu sehen ist, wird im September 2019 in Mailand eröffnet.
Maurizio Cattelan lebt und arbeitet in Mailand und New York und erklärte 2011 seinen Rückzug aus der Kunst. Die Ausstellung wird von Jasper Sharp kuratiert und von den Contemporary Patrons des Kunsthistorischen Museums Wien unterstützt.
Zeitgenössische Kunst im Theseustempel
Der klassizistische Theseustempel wurde 1823 von Peter von Nobile als neues Domizil für ein einziges, damals zeitgenössisches Werk – Canovas Theseusgruppe – geschaffen. Fast siebzig Jahre lang war diese bedeutende Skulptur dort allein ausgestellt, bis sie 1891 in das neu erbaute Kunsthistorische Museum übersiedelte, wo sie sich noch heute befindet. Über ein Jahrhundert später erfüllt der Theseustempel nun wieder seinen ursprünglichen Verwendungszweck: Seit 2012 zeigt das Kunsthistorische Museum dort jedes Jahr jeweils ein einziges bedeutendes Werk der zeitgenössischen Kunst.
KünstlerInnen, die bisher im Theseustempel ausgestellt haben, sind Ugo Rondinone (2012), Kris Martin (2012), Richard Wright (2013), Edmund de Waal (2014), Susan Philipsz (2015), Ron Mueck (2016), Kathleen Ryan (2017) und Felix Gonzalez-Torres (2018).
Information
25. April 2019
bis 6. Oktober 2019