Die Geschichte der Sammlung
Die Wiener Ägyptisch-Orientalische Sammlung hat eine bewegte Geschichte, die bis in die Zeit um 1560 zurückreicht. Damals erwarb ein Gesandter des österreichischen Kaiserhauses in Konstantinopel die Kniefigur des Gem-nef-hor-bak und legte damit den Grundstein für eine Sammlung von Aegyptiaca.
Wirkliches Interesse am Sammeln ägyptischer Altertümer setzte in Europa allerdings erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts ein. Die wenigen ägyptischen Altertümer, die es bereits im 18. Jahrhundert in habsburgischem Besitz gab, waren im Münz- und Antikenkabinett erfasst. Eine gewisse Emanzipation ergab sich, als die ägyptische Kultur durch die spektakuläre napoleonische Expedition (1798−1799) eine Wertschätzung erfuhr wie nie zuvor.
Durch diverse Schenkungen und Ankäufe, insbesondere durch die Erwerbungen des Arztes Ernst August Burghart im Jahre 1821, wurde der Bestand an ägyptischen Denkmälern wesentlich erweitert. Wichtige Schenkungen erfolgten um die Jahrhundertmitte durch Anton Ritter von Laurin, der von 1824 bis 1849 österreichischer Generalkonsul in Alexandria war. Ihm verdankt die Wiener Sammlung auch die Entdeckung des prächtigen Steinsarkophags des Nes-schu-tefnut. Weitere Zuwächse erfolgten durch Kronprinz Rudolf, den Sohn Kaiser Franz Josephs, der während seiner Ägyptenreise 1881 zahlreiche ägyptische Denkmäler erwarb.
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde die fast 2.000 Objekte umfassende Sammlung Miramar aus dem Besitz Kaiser Maximilians von Mexiko – benannt nach dessen Schloss bei Triest, wo die Objekte jahrelang aufbewahrt wurden – in das Inventar der kaiserlichen Sammlungen übernommen. Im Jahre 1893 erhielt die Sammlung eine großzügige Schenkung der ägyptischen Regierung. Dabei handelte es sich um Särge und Sargensembles, die aus einem Versteck – einer so genannten Cachette – in Theben stammten.
In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts erfolgten die meisten Sammlungszuwächse durch archäologische Grabungen in Ägypten und Nubien, die von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften finanziert wurden. Den Grabungen auf dem Felsplateau von Giza zwischen 1912 und 1929 verdankt die Ägyptische Sammlung heute einen der bedeutendsten Bestände an Denkmälern des Alten Reiches, darunter der berühmte Ersatzkopf, zahlreiche Grabstatuen, beschriftete und reliefierte Architekturteile wie Scheintüren und Architrave, Särge aus Stein und Holz, Kanopen, Schmuck, Gefäße aus verschiedenen Materialien usw. Die Kultkammer des Ka-ni-nisut konnte dank einer privaten Finanzierung 1914 vom ägyptischen Altertumsdienst gekauft werden.
Den Schwerpunkt der Orientalischen Sammlung bilden Denkmäler der antiken Kultur Südarabiens. Ihr Grundstock ist Eduard Glaser zu verdanken, der zwischen 1882 und 1895 vier Forschungsreisen in den Jemen unternommen hat. Die von ihm gesammelten altsüdarabischen Inschriften und Artefakte sind bis heute für die Erforschung des antiken Jemen von fundamentaler Bedeutung.
Die Räumlichkeiten der Ägyptisch-Orientalischen Sammlung im Kunsthistorischen Museum bestechen durch ihre prunkvolle Ausstattung, wobei die ägyptisierende Gestaltung bereits zum ursprünglichen Plan der Architekten Gottfried Semper und Carl von Hasenauer gehörte. Einzigartig ist die Wiederverwendung von drei original ägyptischen Monolithsäulen von über sechs Metern Höhe, die anstelle der Marmorsäulen der anderen Säle die Decke tragen. Kaiser Franz Joseph I. hatte die in Alexandria ausgegrabenen Säulen 1869 zum Geschenk erhalten. Beachtung verdienen auch die Wandbilder auf Papier, die dem großen ersten Saal einen besonderen Charakter verleihen. Es handelt sich um Kopien der Wandmalereien des Grabes des Fürsten Chnum-hetep in Beni Hassan in Mittelägypten, die für die Wiener Weltausstellung von 1873 angefertigt wurden.