Entdecken Sie in der Rubrik Kunstgeschichten abwechslungsreiche Essays zu verschiedensten Kunstwerken aus unseren umfangreichen Sammlungsbeständen.
Wenn man die berühmte Theseusgruppe von Antonio Canova sehen wollte, so war man früher auf den Gartenaufseher des Wiener Volksgartens angewiesen: unterbrochen von nur kurzen Phasen war er derjenige, der die Tore des Tempels bei Bedarf aufschloss – ein halbes Jahrhundert lang ging das so. Das änderte sich erst nach öffentlichen Protesten 1878. Von nun an war der 1823 vollendete Theseustempel regelmäßig tagsüber geöffnet.
Einige Jahre später machten das klassizistische Bauwerk und das jahrzehntelang „eingesperrte“ Kunstwerk in seinem Innern wieder Schlagzeilen: unter der Überschrift „Die Demolierung des Theseustempels“ berichtete „Die Presse“ am 18.10.1883:
„Wir erhalten von einem Kunstfreunde folgende Zuschrift: Die […] Notiz, wonach der Theseustempel im Volksgarten zur Demolierung, die Kolossalstatue Canovas aber zu Übertragung in das kunsthistorische Hofmuseum angeblich bestimmt sein solle, hat nicht verfehlt, in den Kunstkreisen der Residenz Aufsehen zu erregen […] Fast ausnahmslos macht sich die Verwunderung über das seltsame Projekt und die Abneigung gegen dasselbe […] merkbar.“
Aber es kam nicht dazu: Der Theseustempel blieb erhalten und für das an seiner Stelle zunächst geplante Mozart-Denkmal wurde viele Jahre später ein anderer Standort gefunden. Doch die monumentale Skulptur wanderte tatsächlich sieben Jahre später unter großen Mühen in das kurz vor der Eröffnung stehende Kunsthistorische Museum.
Aus dem jahrzehntelang „eingesperrten“ wurde zunächst ein “verunglückter“ Theseus:
Am 31.10.1890 schrieb das Mährische Tagblatt:
„Beim Transport der weltberühmten „Theseusgruppe“ Canovas aus dem Wiener Volksgarten in das kunsthistorische Museum brach der Wagen, wobei das Kunstwerk ins Erdreich sank und der keulenschwingende Arm des Theseus zerbrach. Der Schaden ist leicht auszubessern. Gestern wurde die Statue neuerdings auf einen Wagen gebracht und anstandslos in das Kunsthistorische Museum überführt.“
Canovas „Theseus erschlägt den Kentauren“ wacht seit dem im Stiegenhaus des KHM. Der verwaiste Tempel nahm zunächst 1934 Teile jener Sammlung auf, die seit 1978 unter dem Namen „Ephesos-Museum“ in der Neuen Burg zu sehen ist.
Seit 2012 präsentiert das Kunsthistorische Museum im Theseustempel zeitgenössische Kunst.