Entdecken Sie in der Rubrik Kunstgeschichten abwechslungsreiche Essays zu verschiedensten Kunstwerken aus unseren umfangreichen Sammlungsbeständen.
Dunkel und auch ein wenig kühl ist es geworden. Aber die dichten Stoffe, die man mir um den Körper gewickelt hat, halten mich warm. Erst Rot, dann Blau, so wie es sich für mich gehört, denn blau ist die Farbe des Himmels und das Rot dient mir als Zeichen der Geburt meines Sohnes. Jedoch an meinen Fußspitzen zieht es ein wenig – aber so seht ihr, dass ich hier und heute in der Welt verankert und standhaft bin. So wie die mächtige Säule im Hintergrund, eine hübsche Analogie.
Hermann, ein Mönch aus dem Orden der Prämonstratenser, kniet vor mir, aber ich erwidere seinen sehnsüchtigen Blick nicht.
Ich möchte der Zeremonie, die sich vor euren Augen entfaltet, den Raum und die Aufmerksamkeit geben, die sie verdient. So verstellt euch nichts den Blick, ich habe euch nahe herangebeten.
Der Moment, dessen Zeuge ihr hier nun seid, wird sein Leben verändern. Er wird ihm einen zweiten Vornamen und schließlich die Heiligsprechung einbringen. Ich halte den Ring zum Zeichen unserer Vermählung noch zwischen meinen zarten Fingern, nun lasse ich ihn langsam in Hermanns offene Hand gleiten.
Er ist bereit.
Immer wieder brachte er mir frische Äpfel und erträumte sich meine wärmende Gegenwart. Der leicht bekleidete Engel zwischen uns führt mitfühlend die zitternde Hand meines Verehrers. Ich sorge mich etwas, ob er, in das schwere Gewand gehüllt, je wieder wird aufrecht stehen können. Aber diese Kraft werde ich ihm verleihen.
Hinter mir steht übrigens ein junger Mann. Meine Berater werden später sagen, er sei jener Maler, der meine Regieanweisungen umgesetzt hat: Antonis van Dyck. Fast scheint es, als wolle auch er mir ein Angebot machen.
Möchte er gar, dass ich seinen Atem spüre?