Entdecken Sie in der Rubrik Kunstgeschichten abwechslungsreiche Essays zu verschiedensten Kunstwerken aus unseren umfangreichen Sammlungsbeständen.
Man hat mir in dieser Kirche eine kühle Nische reserviert. Der feurig rote Vorhang über meinem Haupt wurde kurzfristig ins Spiel gebracht und um die mächtige Säule rechts von mir gewickelt. So verliehen die Veranstalter dem Festakt zu meinen Ehren einen leichten, angenehm warmen Ton.
Das hat mich mit dem wenig einladenden Klima versöhnt.
Ich bin auf meinen Thron gestiegen, habe mein Kind immer festgehalten, habe keine Steighilfe gebraucht, geschweige denn eine solche akzeptiert.
Die Herren in den schwarz-weißen Gewändern kenne ich gut und meist arbeiten wir harmonisch zusammen.
So soll es heute sein, auch wenn die hellen Scheinwerfer etwas blenden.
Mein Sohn ist munter, hat erst vor kurzem Stehen und Gehen gelernt. Seine Kräfte waren mir von Beginn an ein Rätsel. Ich mag es, wenn er seine kleine Hand um meinen Hals legt, wenn seine blonden Locken mein Gesicht streifen und ich höre das leichte Rumoren in seinem dicken Bauch. Aber es scheint ihm keine Schmerzen zu bereiten.
So kann ich mich also den Menschen um mich herum widmen. Dominikus steht rechts unter mir – und schaut mich tatsächlich etwas hilflos an. Dabei erledigt er seine Aufgabe hervorragend: er verteilt die Rosenkränze an die Menschen, die zu seinen Füssen knien. Trotzdem weise ich ihn zur Sicherheit energisch auf seine Aufgabe hin.
Er versteht.
Papst Pius V. hatte das Rosenkranzfest nach der „Seeschlacht von Lepanto“ gestiftet, zum Gedenken an den überraschenden Sieg christlicher Mittelmeermächte über das Osmanische Reich.
Darum also bin ich hier. Und daran sollen sich meine Besucher und Betrachter erinnern.
Petrus Martyr, der Mönch auf der anderen Seite, macht zur Sicherheit auch euch auf meinen Auftrag aufmerksam.
Seine Loyalität hat er bereits in bewährter Heiligenmanier bewiesen: die Axt, die einst seine Stirn traf, hat sein Martyrium vollendet.
Ich bin zufrieden: meine Anweisung, nicht zu reden, wird befolgt. Auch das kleine Kind im Arm seiner Mutter ist andächtig und stumm.
Lasst eure Hände, Arme, Gesichter und Glieder sprechen!
Eine Person jedoch scheint aus dem Rahmen zu fallen. Ich kann ihn von hier oben nur erahnen, dort wo er den Schutz des heiligen Dominikus sucht. Über Geld spricht man hier nicht so gerne. Er schaut euch an und ich werde ihn nicht tadeln.
Im Gegenteil: ich danke für seinen Einsatz, denn er war es wohl, der mich hierher kommen ließ indem er meinen Schöpfer bezahlte (entschuldigt das unheilige Wortspiel).
Und Caravaggio hat in Neapel genau die richtigen Farben gefunden.