um 1550
Die Bezeichnung "Handstein" geht auf die Größe der Gesteinsproben aus dem Bergbau zurück, die so groß waren, dass sie "eine Handfläche ausfüllen" konnten. Umgestaltet zu Berg- und Minenlandschaften mit kleinen Figurenszenen zählen sie zu den wertvollsten Manifestationen bergbaulicher Kunst. Die Voraussetzung für die Herstellung von Handsteinen bildeten Funde besonders prächtiger Metallerzstufen. Da diese als Gottesgeschenke galten, wurden häufig Darstellungen von biblischen Figuren, Heiligen oder Christus selbst in die Gestaltung der oft auch als Berg Golgotha interpretierten Handsteine mit einbezogen. In ihrer Eigenschaft als Verbindungsglieder zwischen Natur und Kunst zählten die bemerkenswerten Nebenprodukte des Bergbaus aus Böhmen, Ungarn oder Tirol zu den bevorzugten Kunstkammerstücken des 16. Jahrhunderts. Die bedeutendste Sammlung befand sich im Besitz Erzherzog Ferdinands II. (1529-1595), der als Bergherr direkten Einfluss auf Wahl und Gestaltung der Objekte hatte. Der hier vorgestellte Handstein stand mit zahlreichen anderen im dritten Kasten der Ambraser Kunstkammer; er wird im Nachlassinventar von 1596 folgendermaßen beschrieben: "mer ain ganzer von digen silber handstain, oben darauf ain silbern vergultes crucifix, darauf sein zwai arztgrueben, versilbert und vergult, sambt ainem haspl und ettlich füguren von knappen, steet auf ainem hülcen plau angstrichnen fuesz". Über einem in Blau und Gold bemalten Holzfuß mit quadratischem Grundriss erhebt sich ein aus verschiedensten Gesteinssorten zusammengesetzter Berg, auf dessen Gipfel Christus am Kreuz dargestellt ist. Der Mittelteil zeigt einen Bergstollen mit arbeitenden Knappen. Deren Alltagssituation, ihre Werkzeuge und Kleidung, die Stollenverbauung und das "haspl" (= Göpelhaus - der kegelförmige Aufbau, an dem die mechanischen Hilfsmittel zum Rohstofftransport aus den Stollen angebracht waren) sind detailliert wiedergegeben.
Handstein, Berg Golgotha
St. Joachimsthal oder Tirol ?
um 1550
H. 27,1 cm
Kunsthistorisches Museum Wien, Kunstkammer
Kunstkammer, 4167
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