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Technologische Studien

Band 3/2006

Sonderband Numismatik

Insgesamt 202 „österreichische“ Goldmünzen der Sammlung des Wiener Münzkabinetts, die zwischen 1790 und 1938 geprägt wurden, wiesen in unterschiedlicher Intensität „Rostflecken“ (so genannte „Braune-Flecken-Korrosion“) auf. Sie können im Wesentlichen drei Feingehaltsgruppen mit einem Mindestanteil von 900 aus 1000 Teilen Gold zugeordnet werden. Die älteste Münze wurde unter Leopold II. geprägt, die jüngste im letzten Jahr des Ständestaates. Dazwischen sind Goldmünzen aller Herrscher bis inklusive Karl I. genauso vertreten wie jene der 1. Republik.

Betroffen sind alle während dieser Periode ausgeprägten Goldnominalien: Dukaten und ihre Vierfachen, doppelte und einfache Souverains d’or, einfache und halbe Sovrani, ganze und halbe Vereinskronen, 20 und 10Francs-Stücke, 20 und 10Kronen-Stücke sowie ein 100Kronen-Stück, sodann 25Schilling-Stücke. Unter den Münzstätten, auf deren Produkten Verunreinigungen festgestellt wurden, stechen insbesondere Wien und Venedig hervor. Des Weiteren fanden sich in der habsburgischen Medaillenreihe des Wiener Kabinetts 199 Medaillen aus dem Zeitraum von 1738 bis 1879, also von Kaiser Karl VI. bis Kaiser Franz Joseph I., die „Braune-Flecken-Korrosion“ zeigten. Nachdem es um 1700 erste Versuche gegeben hatte, die Prägemedaille zu erneuern, gelang es der Wiener Münzstätte durch die Modernisierung der Prägetechnik und durch die Errichtung einer Graveurakademie im Jahre 1729, sowohl in technischer als auch in künstlerischer Hinsicht den Spitzenplatz einzunehmen. Die hier ausgebildeten Graveure wurden zwar häufig an andere Münzstätten des Reiches versetzt, konnten sich dort aber nur in Ausnahmefällen der Medaille zuwenden. Wenn dies allerdings (etwa in Prag, Kremnitz und Karlsburg) der Fall war, dann standen ihre Produkte in der Tradition der Wiener Münze. Aus diesem Grunde bestehen für viele der nicht eindeutig für Wien in Anspruch zu nehmenden Stücke große Unsicherheiten in der Zuweisung. Lediglich in Brüssel, der Münzstätte für die Österreichischen Niederlande, konnte die eigene Tradition weiter bestehen. Eine nicht unbeträchtliche Produktion ist in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts dann auch in Italien, und zwar in Venedig und vor allem in Mailand, zu beobachten, wenngleich die dort entstandenen Medaillen mit denjenigen der Wiener Schule keine Gemeinsamkeiten haben. Die Wiener Sammlung zeichnet sich unter anderem durch ihren Bestand an Prägewerkzeugen aus, so dass im Rahmen des Projektes auch versucht wurde, die Medaillen den erhaltenen Stempeln zuzuordnen und damit weitgehende Sicherheit in der Bestimmung der Münzstätten zu erhalten. Messungen ihrer Dichte ergaben, dass die in der Wiener Münzstätte ausgeprägten Medaillen während des gesamten Beobachtungszeitraumes von nahezu gleich bleibendem Goldgehalt sind, obwohl – was allerdings zum Zeitpunkt der Prägung kaum erkennbar war – doch eine leicht fallende Tendenz zu bemerken ist. Bis auf wenige Ausnahmen schwanken die Erzeugnisse der anderen Münzstätten in ihrem Edelmetallgehalt weit mehr als jene der Wiener Münze. Weiter führende Überlegungen wären aber erst nach umfangreicheren Vergleichsmessungen möglich. Die aus der Sammlung des Münzkabinetts gezogenen Münzen und Medaillen (insgesamt 401 Stück) wurden zur Aufklärung des Phänomens der „Braune-Flecken-Korrosion“ – dessen Bezeichnung zunächst unrichtig „Goldrost“ lautete – einer Reihe von naturwissenschaftlichen Untersuchungen unterzogen. Die Ausprägung und Häufigkeit der braunen Flecken wurde dazu zunächst für alle Stücke lichtmikroskopisch dokumentiert. Ausgewählte Stücke wurden dann weiterführenden Untersuchungen mit Rasterelektronenmikroskopie (REM), Ultraschallmikroskopie (SAM – Scanning Acoustic Microscopy) und elektrochemischen Methoden zugeführt. Die Ergebnisse zeigten, dass es sich bei den braunen Flecken durchgehend um eingeschlossene Silber- bzw. Silber-Kupfer-Partikel handelt, die im Laufe der Zeit durch schwefelhaltige Luftschadstoffe zu Silber- bzw. Kupfersulfid oxidiert – und damit verbräunt – waren. Nur in Einzelfällen konnten auch andere metallische Einschlüsse, z. B. aus Eisen, oder eingeprägte Schmutzpartikel nachgewiesen werden. In Zusammenarbeit mit der Münze Österreich AG konnten Versuchsdukaten geprägt werden, die bewusst eingebrachte Silber- bzw. Silber-Kupfer-Verunreinigungen enthielten. Diese Versuchsdukaten wurden dann sowohl in den heute im Münzkabinett zur Verfügung stehenden Münzaufbewahrungskästen aus (Eichen-) Holz gelagert, als auch künstlich mittels Kaliumpolysulfid (K2Sx) korrodiert. Da sie in beiden Fällen ein den Originalstücken vergleichbares Korrosionsphänomen zeigten, dienten sie als Versuchs- und Vergleichsstücke für die weiterführenden Analysen, insbesondere auch für diejenigen mit Sekundärionen-Massenspektrometrie (SIMS). Die in Kooperation mit der Technischen Universität Wien durchgeführten SIMS-Untersuchungen bestätigten sowohl auf Versuchsdukaten als auch auf zwei ausgewählten historischen Münzen das Vorliegen von dünnen (bis zu 100 nm dicken), hauptsächlich aus Silbersulfid bestehenden Schichten an den Oberflächen der Fremdeinschlüsse. Zugleich konnte aber neben Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff auch Chlor, ein ebenfalls potentiell für Korrosion verantwortliches Element, nachgewiesen werden. Ein Versuch, mittels TOF-SIMS (Time of flight SIMS) vor allem auch den Einfluss organischer Bestandteile – wie Reste von Mikrowachs-Überzügen auf den Objektoberflächen oder erhöhte Essigsäurekonzentrationen aus den für die Aufbewahrungskästen verwendeten Hölzern – auf die Entwicklung der „Braune-Flecken-Korrosion“ weiter zu untersuchen, brachte aufgrund der Komplexität der Signale leider keinen Erfolg. Erste Reinigungsversuche an einigen wenigen ausgewählten Stücken ergaben schließlich, dass die braunen Flecken am besten unter Einsatz elektrochemischer Reinigungsmethoden, im vorliegenden Fall mit Natriumhydroxid, entfernt werden können. Wie an den Versuchsdukaten nachgewiesen wurde, führt diese oberflächliche Reinigung bei weiterer Aufbewahrung der Objekte in den vorhandenen Holzkästen jedoch lediglich zu einer Aufschiebung des Problems. Die nach der Behandlung in den Objektoberflächen weiter vorliegenden Silber- bzw. Silber-Kupfer-Einschlüsse würden im Laufe der Jahre durch neuerliche Sulfidbildung wieder braun anlaufen. Da die Klärung der Frage nach dem weiteren Umgang mit den nachgewiesenen Fremdeinschlüssen, d. h. ihrer möglichen Entfernung, unmittelbar mit der wahrscheinlichen Ursache zusammenhängt, wurden im Rahmen des Projekts Studien der historischen Literatur zur Münzherstellung im relevanten Zeitraum durchgeführt. Überraschender Weise fanden sich bereits in den zeitgenössischen Berichten immer wieder Hinweise auf Möglichkeiten der Verunreinigung des Münzmetalls durch die parallele Verarbeitung von Silber und Gold in den betrachteten, vor allem österreichischen, italienischen und deutschen Münzstätten. Besonders die – dokumentierte – Verwendung derselben Walz- und Bearbeitungswerkzeuge für beide Metalle führte zu eingepressten Verschmutzungen in Form von Fremdpartikeln aus Silber in Goldzainen, -blechen und -ronden. Für die Medaillenproduktion bestand darüber hinaus durch die Verwendung eines einzigen Prägestempels für Medaillen aus verschiedenen Metallen (Gold, Silber und Bronze sowie eventuell auch unedleren Metallen) noch größere Verunreinigungsgefahr. Obwohl sie ästhetisch störend sind, sollte man den hier untersuchten Korrosionsflecken doch nicht nur ein negatives Image zuschreiben, denn der Informationsgehalt aus diesen Defekten ist nicht zu unterschätzen. Für Forscher und Wissenschafter birgt das Vorliegen solcher Fremdeinschlüsse, wie gezeigt werden konnte, neue Erkenntnisse über handwerkliche Techniken, zeitgenössische Materialien, verwendete Werkzeuge und vieles mehr. So ergaben sich durch die wenigen historischen Hinweise aus den Archivmaterialien und die Ergebnisse unserer Arbeit neue Zusammenhänge, die uns verständlich machten, wie es zu diesem Schadensphänomen gekommen ist. Dies ermöglichte uns nicht nur den praktischen Nachweis der Fleckenbildungen auf Goldobjekten an während des Projekts nachgeprägten Einfachdukaten, sondern auch die Auswahl der optimalen Untersuchungs- und Analysenmethoden, um verlässliche Ergebnisse zu erhalten. Das Verständnis der in den Einschlussmetallen ablaufenden Korrosionsprozesse ist nicht nur ausschlaggebend für die Planung der bestmöglichen Konservierung bzw. Restaurierung, sondern auch ein wichtiger Bestandteil zur Entwicklung optimaler Aufbewahrungsbedingungen für die historisch wertvollen Sammlungsobjekte. Nur wenn alle entscheidenden Faktoren bekannt sind, können wirksame Maßnahmen gegen eine neuerliche Korrosion getroffen werden, oder es ist zumindest möglich, diese zu verringern. So konnten innerhalb des vorgestellten Projektes die wesentlichen wissenschaftlichen Grundlagen für die Entscheidung über die weitere Behandlung der entsprechenden Objekte in der Sammlung des Wiener Münzkabinetts gewonnen werden, die in zukünftige konkrete Maßnahmen einfließen werden.


Franz Joseph I. (1848 – 1916), 100Kronen.
Franz Joseph I. (1848 – 1916), 100Kronen.
Maria Theresia (1740 – 1780), „Preismünze für Schmelz- und Scheidekunst“, Revers.
„Das Gießen der Metallstreifen“ (Zaine) um 1875 in Deutschland. (aus: Deutscher Hausschatz in Wort und Bild, 2. Jg., 1876, Nr.8, 123.)“
 

Buch
Technologische Studien, Band 3
€ 45,00 € 14,95
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