Technical Studies
Volume 12/2016
Inhalt
Der Mantelkleid-Ornat – ein Mantel und Kleid-Ornat?
Sabine Svec
Der sogenannte Mantelkleid-Ornat aus dem Bestand der Geistlichen Schatzkammer soll laut Tradition aus dem »goldstuckenen Mantelkleid« angefertigt worden sein, das Franz Stephan von Lothringen (1708–1765) bei seiner Hochzeit mit Erzherzogin Maria Theresia im Jahr 1736 trug. Die Verifizierung dieses Inventareintrages war Ziel einer von den Textilrestauratorinnen der Schatzkammer durchgeführten wissenschaftlichen Untersuchung.
Eine erste Bestandsaufnahme des 12-teiligen Mantelkleid-Ornates unterscheidet zwei Stoffe, die man als »goldstucken« sehen kann. Es handelt sich jeweils um Seidenstoffe, die großflächig mit Metallfäden broschiert sind. Bei beiden Stoffen wurde letztlich eine Sekundärverwendung nachgewiesen. Das Naheliegende, nämlich auf die Schnittteile eines kompletten Mantelkleides – also ein Ensemble aus Hose, Weste und Umhang – zu stoßen, ist allerdings nicht eingetreten.
Bei jenem Stoff, aus dem die Kasel gefertigt wurde, lag der Hinweis auf die Erstverwendung im webtechnischen Aufbau. Es erfolgte rasch die Zuordnung des Gewebes zu einer Herrenweste, deren Schnitt und Verarbeitung Gegenstand einer weiteren Untersuchung sein wird.
Beim zweiten Stoff, der für das Pluviale und die beiden Dalmatiken verwendet wurde, gestaltete sich der Weg vom liturgischen Gewand zur Erstverwendung schwieriger. Die insgesamt 86 unterschiedlich dimensionierten Stoffstücke konnten nur anhand von originalgetreuen Folien und unter Einbeziehung unterschiedlicher Aspekte schlüssig aneinandergefügt werden, wodurch sich schließlich ein klarer Hinweis auf die Schnittform eines weiteren profanen Kleidungsstückes ergab. Allerdings keines, das auf Franz Stephan von Lothringen als Träger schließen lässt.
Maschenstoffe – Stoffbildung mit einem fortlaufenden Faden. Textiltechnikanalyse von ausgewählten Objekten des Weltmuseums Wien
Sophie Fürnkranz
Bei der Beschäftigung mit textilen Techniken fällt auf, dass gerade bei Maschenstoffen große Verwirrung bei der Benennung der Herstellungstechniken herrscht. Es gibt zwar gute Fachliteratur über textiltechnische Systematiken, aber es fehlen dabei leider meist Fotobeispiele von den angewandten Techniken.
Hingegen sind in vielen Bildbänden wiederum oftmals keine oder manchmal sogar falsche Technikbezeichnungen angeführt. Mit diesem Artikel, der neben kurzen Technikbeschreibungen und technischen Zeichnungen vor allem fotografisches Material aus der umfangreichen ethnologischen Sammlung des Weltmuseums Wien enthält, soll ein wesentlicher Beitrag zur Klärung und Würdigung des faszinierenden Gebiets der Maschenstoffe geleistet werden.
Zur Restaurierung des Gemäldes Madonna mit Jesuskind und Johannesknaben aus Werkstatt von Andrea del Sarto und einige technologische Beobachtungen
Francesca Del Torre Scheuch und Jutta Höflinger
Jüngste technologische Untersuchungen während der Restaurierung der Madonna mit Kind und Johannesknaben, ehemals Franciabigio zugeschrieben, haben wichtige Ergebnisse bezüglich der Bildgenese des Gemäldes erbracht. Mithilfe der Betrachtung unter UV-Licht, der Untersuchung mit Röntgen- und Infrarotstrahlung sowie der Röntgenfluoreszenzanalyse konnten an einigen Details Entstehungsprozesse abgelesen und eindeutige Bezüge zur florentinischen Werkstattpraxis des frühen 16. Jahrhunderts erkannt werden.
Der Vergleich mit Gemälden, die in der Werkstatt Andrea del Sartos in der Zeit um 1515/20 entstanden sind, lässt annehmen, dass unser Bild gleichzeitig mit Werken desselben Sujets (bzw. zwischen diesen) gemalt wurde. Diese Ergebnisse decken sich mit der kunsthistorischen und stilistischen Analyse und empfehlen die Zuordnung des Gemäldes an die Werkstatt von Andrea del Sarto, in der mehrere Künstler – unter anderen Franciabigio – tätig waren. Darstellungen der Madonna mit Jesuskind und Johannesknabe in einer Landschaft waren eines der beliebtesten Sujets der Zeit, die nicht nur im öffentlichen Kontext, sondern auch in adeligen und privaten Haushalten ihren Platz fanden. Um der großen Nachfrage nachzukommen, musste die Produktion rasch erfolgen. Dies war nur möglich, indem man vorkomponierte Darstellungen kopierte und durchpauste sowie alle Arbeitsschritte in einem Werkstattbetrieb an eine Reihe von Mitarbeitern delegierte. Dieses Verfahren wird von den an unserem Gemälde beobachteten Arbeitsschritten bestätigt.
Eine weitere Besonderheit beim Wiener Gemälde stellen die Übermalungen dar, die zu einem späteren Zeitpunkt vorgenommen wurden. Sowohl großflächig als auch partiell ausgeführt, überdecken sie fast alle Bereiche der Originalmalschicht und stellen einen historischen Zustand dar. Nach der Restaurierung sind nun jedoch die feine Farbigkeit der Originalmalerei und der Charakter der Anfang des 16. Jahrhunderts in Italien aufkommenden Ölmalweise an vielen Stellen wieder sichtbar geworden.
Wiedergeburt eines vergessenen Papyrus - Zur Konservierung und Restaurierung einer Papyrusrolle der Ägyptisch-Orientalischen Sammlung
Vanessa Novak
Im Mai 2013 wurden im Rahmen der Inventarrevision der Ägyptisch-Orientalischen Sammlung und der Übersiedelung von Objekten aus den Keller-Depots die Tiermumien untersucht. Darunter war auch eine Gruppe von Tonkegeln, die als Särge für mumifizierte Ibisse dienten. Unterhalb einer dieser Mumien wurde eine bis dahin unbekannte Papyrusrolle entdeckt.
Schon bald zeigte sich, dass zwischen Mumie und Papyrus ein beträchtlicher Altersunterschied besteht. Daher wurden von der Mumienbinde und den Leinengeweben um den Papyrus Proben entnommen, um deren Alter mittels 14C-Datierung festzustellen. Es sollte geklärt werden, ob das Ensemble schon im Altertum zusammengestellt wurde oder eventuell erst im 19. Jahrhundert.
Im Frühjahr 2014 wurde der Papyrus im Kunsthistorischen Museum restauriert. Nach der Behandlung der einzelnen Fragmente wurde mit dem Öffnen der Rolle begonnen. Da es sich hierbei um eine nicht alltägliche Arbeit handelt, wurden die Methoden zum Teil erst während des Restaurierungsprozesses entwickelt und verfeinert. Nach dem Zusammenkleben aller Stücke hat der Papyrus nun wieder seine ursprüngliche Länge von 2,50 m.
Die Kartonagehülle einer Mumie in der Ägyptischen Sammlung des Kunsthistorischen Museums Wien - Sichtbarmachen der durch Harze geschwärzten Darstellungen mittels Infrarotreflektografie
Elfriede Haslauer
Ab der 22. Dynastie (10. Jh. v. Chr.) wurden Mumien in Ganzkörperhüllen aus Leinenkartonage gesteckt. Sie gehörten vor allem zur Priesterschaft des Amun-Tempels in Karnak in Theben. Der Großteil dieser Familien wurde im Tempelbezirk von Ramses II. auf der Westseite von Theben bestattet. Auffallend ist, dass sehr viele dieser Kartonagehüllen vor allem auf der Vorderseite geschwärzt sind. Das meist vergoldete Gesicht ist davon jedoch nicht betroffen.
Die Schwärzung ist auf einen besonderen Begräbniskult für diese Familien zurückzuführen, bei dem die Mumien mit Harzen übergossen wurden. Das Nachdunkeln der Harze führte zu diesem schwarzen Überzug. Um die darunter vorhandenen Darstellungen und Texte sichtbar zu machen, kann die Technik der Infrarotreflektografie eingesetzt werden. Auf diese Weise wird die Zeichnung und auch die sorgfältige Ausmalung erkennbar. Die Farbgebung ist nur seitlich und auf der Rückseite, wo der ursprüngliche Zustand erhalten ist, sichtbar.