Die Geschichte der Sammlung
Die Habsburger erwarben erbmäßig Objekte aus den verschiedensten Ländern: aus den alten Kron- und Nebenländern, aus Böhmen und Ungarn, Galizien und weiteren Balkangebieten, ebenso aus den heutigen BENELUX-Ländern, also den alten Niederlanden, aus Provinzen des heutigen Frankreich wie Burgund, Elsass, Lothringen, nicht zuletzt aus Spanien und großen Teilen Italiens. Diplomatische Beziehungen und kriegerische Auseinandersetzungen bereicherten die Sammlung um Objekte des Nahen Orients, sei es der feindlichen Türken oder der zeitweise mit den Habsburgern verbündeten Perser und Ägypter.
Dabei garantierte allein schon der kaiserliche Anspruch höchste künstlerische Qualität. Alles, was den Herrscher und seine Vasallen umgab, vom Palast, in dem er wohnte, bis zu dessen Ausstattung, war von höchster Feinheit, und so hatte auch das, was er am eigenen Leibe trug, besonders kostbar zu sein: von seinem Harnisch als prächtiges Kostüm über Schwert oder Degen bis hin zum Streitkolben. Entsprechendes galt für die Rüstung seines Pferdes. So ist jedes einzelne Objekt ein Kunstwerk.
Als im 19. Jahrhundert nahezu alle Rüstkammern des österreichischen Zweiges des Hauses Habsburg in Wien vereinigt wurden, entstand eine Sammlung, die heute zu den weltbesten ihrer Art zählt. In ihrer heutigen Anordnung sind es im Wesentlichen drei große Bestände, durch deren Vereinigung diese Sammlung ihren besonderen Charakter erhielt.
Den Grundstock bildete die kaiserliche Leibrüstkammer, in der, seit 1436 dokumentiert, die Ausrüstungsgegenstände, in der Hauptsache Harnische und Prunkwaffen des Herrschergeschlechtes und seines Gefolges, verwahrt wurden. Im Frühbarock verlor der Harnisch auch als Standessymbol gänzlich seine Bedeutung, denn im „modernen“ Staat war es nicht mehr nötig, mit einer Rüstung ritterliche Tugenden oder körperliche Leistungskraft darzustellen. In der Folge wurden die Objekte der kaiserlichen Leibrüstkammer zu Museumsgegenständen und schließlich in einer barocken Ruhmeshalle der österreichisch-habsburgischen Geschichte zusammen mit militärischen Gebrauchswaffen präsentiert.
Ab dem Barock wurden alle künstlerischen Fähigkeiten für die dekorative beziehungsweise technische Ausgestaltung der Jagd- und Sportwaffen sowie für modische Accessoires wie etwa den Hofdegen verwendet. Diese Objekte zählen zu dem zweiten großen Sammlungsbestand, der „Hofgewehr- oder Hofjagdkammer“, die unter Kaiser Ferdinand II. (1578/1619–1637) angelegt wurde; darin ist jede Epoche bis zum Ende der Monarchie 1918 mit den jeweils qualitätvollsten Werken vertreten.
Den dritten – und kulturhistorisch vielleicht wichtigsten – Bestand verdanken wir der einzigartigen „Heldenrüstkammer“ Erzherzog Ferdinands von Tirol (1529–1595), die dieser ab 1577 in Schloss Ambras bei Innsbruck anlegte. Diese Sammlung ist das Werk eines hochgebildeten, kunstsinnigen, höchst liberal eingestellten Fürsten, der mit großen Geldmitteln ausgestattet war und seine gesellschaftlichen Beziehungen zu allen großen Höfen Europas nützte, um sein „Atrium Heroicum“, die „ehrliche Gesellschaft“, zu verwirklichen. (Das Wort „ehrlich“ verstand man damals im Sinne von „ehrenreich“.) Nach einem selbst für heutige Begriffe überraschend modernen Konzept sammelte er die Rüstungen und Waffen aller berühmten Persönlichkeiten vom Fürsten bis zum Feldherrn seiner Zeit und des vorhergehenden Jahrhunderts. 125 viri illustri umfasste seine Sammlung, deren Inventar er in Auftrag gegeben hatte. Erst nach seinem Tod erschien (1601 in lateinischer, 1603 in deutscher Sprache) dieser erste gedruckte, illustrierte Museumskatalog. Jeder „Held“ ist hier in seiner Rüstung ganzfigurig im Kupferstich portraitiert und mit seinem Lebenslauf beschrieben. Schon im 17. Jahrhundert war diese Sammlung gegen Entgelt der Öffentlichkeit zugänglich.
Die Ambraser Sammlung gelangte im Zuge der napoleonischen Besetzungen als kaiserliches Privateigentum 1806 nach Wien und wurde mit den bereits genannten Sammlungsbeständen vereinigt. 1889 wurde die Waffensammlung als erste Sammlung des neu erbauten k. k. Kunsthistorischen Hofmuseums eröffnet. Nach der Auflösung der Monarchie am Ende des Ersten Weltkrieges 1918 wurden die Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses Besitz der Republik Österreich.