Die Geschichte der Sammlung
Das Interesse an alten Münzen geht weit zurück. So waren für den Landesherrn gehobene Schatzfunde, wenn es sich um Münzen aus Edelmetall handelte, ein willkommener Zuwachs an Gold und Silber. Entweder wurden die Stücke zur Metallgewinnung eingeschmolzen, oder sie fanden Aufnahme in den fürstlichen Schatz. Aus ihm gingen zum Teil die späteren Kunstsammlungen hervor. Damit gehören Münzsammlungen weltweit zu den ältesten aller musealen Einrichtungen. Dies gilt auch für das Wiener Münzkabinett, das aus der habsburgischen Sammlung hervorgegangen ist, die kontinuierlich weitergeführt und ausgebaut wurde.
Unter Ferdinand I. (1503-1564) wurde um 1547/50 das älteste, noch heute erhaltene Inventar angelegt. Leopold Heyperger, der Kämmerer des Kaisers, verzeichnete darin fast ausschließlich römische Münzen.
Auch Erzherzog Ferdinand II. (1529-1595), Sohn des Kaisers und Landesfürst von Tirol, ein begeisterter Sammler von Kunstgegenständen, besaß eine Münzsammlung. Seine Münzschränke existieren noch heute: Sie befinden sich im Wiener Münzkabinett sowie in Schloss Ambras.
Kaiser Rudolf II. (1552-1612), der seine Residenzstadt Prag zu einem Zentrum des kulturellen Lebens machte, erweiterte ebenfalls die Bestände der habsburgischen Münzsammlung und erwies sich vor allem als Förderer der Medaillenkunst.
Doch erst hundert Jahre nach dem Tod Rudolfs II. erwachte das kaiserliche Münzkabinett aus seinem Dornröschenschlaf. Kaiser Karl VI. (1685-1740) berief im Jahre 1712 den schwedischen Gelehrten Carl Gustav Heraeus zum Medaillen- und Antiquitäteninspector. Heraeus sollte durch die Zusammenführung der in der Hofbibliothek aufbewahrten Ferdinandeischen Sammlung, der Schatzkammer des Erzherzogs Leopold Wilhelm in der Stallburg und der Münzensammlung von Schloss Ambras ein räumlich einheitliches kaiserliches Kabinett schaffen.
Kaiser Franz I. Stephan von Lothringen (1708-1765), der Gemahl Maria Theresias (1717-1780), brachte eine neue Facette in die kaiserliche Münzsammelpolitik. Er legte sein Hauptaugenmerk auf damals moderne Prägungen. Das Jahr 1748 ist eine der Sternstunden in der Geschichte der Wiener Münzsammlung. Damals ordnete Franz I. Stephan von Lothringen an, das Numophylacium Carolino-Austriacum und das Numophylacium imperatoris Francisci I. zusammenzulegen. Die zu diesem Anlass durchgeführte Gesamtzählung ergab beinahe 50.000 Objekte, darunter allein 21.000 antike Münzen.
Im Jahre 1774 wurde mit dem säkularisierten Jesuitenpater Joseph Hilarius Eckhel ein Mann als Leiter des antiken Münzkabinetts berufen, der für die gesamte antike Numismatik von großer Bedeutung werden sollte: Seine „Eckhelsche Ordnung“ antiker Münzen nach geographischen und chronologischen Gesichtspunkten hat bis heute Bestand. Darüber hinaus hatte Eckhel mit seiner zehnbändigen Doctrina nummorum veterum dem kaiserlichen Kabinett erstmals weltweites Ansehen verschafft.
Die Erkenntnisse der historischen Wissenschaften haben die Numismatik im 19. Jahrhundert verändert. Das Interesse an der Geldgeschichte kam zur rein deskriptiven Numismatik hinzu, wodurch sich auch die Sammlungstätigkeit erweiterte. Heute werden im Münzkabinett neben Münzen und Medaillen auch Papiergeld und Wertpapiere, Naturalgeld, Stempelmarken, Wertmarken, Siegel und Siegelstempel, Münzwaagen und -gewichte, Orden, Abzeichen sowie historische Münz- und Medaillenprägestempel aufbewahrt. Somit ist das Münzkabinett eine Sammelstelle für Dokumente, die Geld in allen seinen Formen und Funktionen repräsentieren.
Zur Eröffnung des neu errichteten Kunsthistorischen Museums an der Wiener Ringstraße 1891 wurden die kaiserlichen Sammlungen, die bis dahin in den verschiedensten Häusern untergebracht waren, zusammengeführt. Das „Münz- und Antikenkabinett“ war zunächst in den Räumen des Hochparterres untergebracht und übersiedelte 1899 in den 2. Stock. Seit 1900 ist das Münzkabinett von der Antikensammlung getrennt und eine eigenständige Sammlung.