Vitrine EXTRA #2
Zurück in der Zukunft – Die Geschichte eines Bechers
Becher mit der Darstellung zweier nackter Epheben
Attisch, rotfigurig
Ende 6. Jh. v. Chr.
Ton
Inv.-Nr. IV 4712
Die zweite Ausgabe der Reihe Vitrine EXTRA, die in regelmäßigen Abständen unterschiedliche antike Artefakte vorübergehend in der Dauerausstellung präsentiert, lässt die Besucher*innen die Geschichte eines griechischen Bechers von dessen Herstellung im ausgehenden 6. Jahrhundert v. Chr. bis zum heutigen Tag nachverfolgen. Nach einer unrechtmäßigen Beschlagnahmung im 20. Jahrhundert wurde der Becher restituiert und schließlich vom Kunsthistorischen Museum zurückgekauft, wo er nun erstmals in der Antikensammlung präsentiert wird.
Über seine frühesten Besitzer sowie seine Verwendung im Alltag oder als Grabbeigabe wissen wir leider nichts Näheres. Auch haben weder der Töpfer noch der Maler in einer Signatur ihre Namen hinterlassen, wie das bei antiken Vasen oftmals der Fall war. Aufgrund stilistischer Kriterien konnte der Becher einem Maler zugeschrieben werden, von dem etwa 150 Werke aus der frühen griechischen Klassik des späten 6. und frühen 5. Jahrhunderts v. Chr. erhalten sind.
Die dargestellte Szene weist in die für die Antike so wichtige Welt der Athleten und sportlichen Wettkämpfe (Agone). Das Training auf dem Ringplatz (Palästra) fand üblicherweise nackt in den antiken Gymnasien statt, Stätten der körperlichen und intellektuellen Ausbildung.
Im 20. Jahrhundert befand sich der Becher in Privatbesitz von Albert Pollak in Wien. Nach dem „Anschluss“ 1938 vom NS-Regime in Wien verfolgt, verhaftet und seines Hab und Guts beraubt, gelang es ihm, in seine schlesische Geburtsstadt Bielitz/Bielsko zu fliehen. Seine in über dreißig Jahren aufgebaute, äußerst umfangreiche Sammlung an Gemälden, Ziergegenständen aus Porzellan oder Glas, Textilien aus aller Welt, Möbeln und anderen Kunst- und Kulturgegenständen musste er in Wien zurücklassen. Sie wurde von den Nationalsozialisten entzogen, zerschlagen und an zahlreiche Museen verteilt. Als die deutsche Wehrmacht 1939 in Polen einmarschierte, floh Albert Pollak weiter in die Niederlande, wurde aber später in das Durchgangslager Westerbork deportiert und starb 1943 im Universitätskrankenhaus Groningen.
Nach Kriegsende machten sich seine Geschwister auf die Suche nach den über 800 entzogenen Objekten, die einst Albert Pollak gehört hatten. Einen Teil der Sammlung bekamen sie auf Grundlage der Rückstellungsgesetze restituiert. Als Gegenleistung für die notwendigen Ausfuhrgenehmigungen – nach 1945 lebte die Familie in verschiedenen Exilländern – mussten die Erb*innen ausgewählte Stücke den Museen „geschenkweise“ überlassen – so auch diesen Becher. Erst mit dem 1998 erlassenen Kunstrückgabegesetz übernahm die Republik Österreich Verantwortung für diese Vorgänge. 2001 empfahl der Kunstrückgabebeirat die Rückgabe des Gefäßes. Dieser ist im Rahmen der Reihe Vitrine EXTRA in den Räumlichkeiten der Antikensammlung des Kunsthistorischen Museums Wien zu sehen und erinnert dabei an den jahrzehntelang vergessenen Kunstsammler Albert Pollak.
Mit freundlicher Unterstützung von
Informazioni
1 June 2023
fino al 1 October 2023
Antikensammlung, Saal XIV
Öffnungszeiten
Di – So, 10 – 18 Uhr
Donnerstag, 10 – 21 Uhr
Montag geschlossen