Incisions in Caravaggio’s Working Process, from the Illumination of the Subject to the Depiction of Shadows: a Revolution without Heirs?
Marco Cardinali, M. Beatrice De Ruggieri, and Claudio Falcucci
Zusammenfassung
In den letzten Jahrzehnten hat sich die kunsthistorische Forschung eingehend mit der Rolle beschäftigt, die den Ritzzeichnungen im Rahmen der malerischen Technik Caravaggios zukommt. Diese Praxis steht mit der Arbeit des Malers „vor der Natur“ – davanti del naturale – in Zusammenhang. Spuren von Einritzungen wurden an einer Reihe von Gemälden entdeckt, die vorwiegend aus Caravaggios römischer Zeit stammen. Die Untersuchung von Charakteristik und Funktion dieser Markierungen zeigt ihre enge Beziehung zur Angabe von Licht und Schatten. Caravaggios Malprozess ging vom dunklen Ton der Grundierung aus, der durch übereinandergelegte Malschichten gefiltert wurde und in Form von Aussparungen als Mittelton für die Schatten Verwendung fand. Ritzungen erwiesen sich als geeignetes Mittel zur Markierung von Umrissen in Schatten, bei denen die Grundierschichten teilweise sichtbar gelassen (ausgespart) wurden.
Die Technik Caravaggios, die Modelle in seinem Atelier zu beleuchten, wurde von seinen Zeitgenossen als revolutionär angesehen. Eine Analyse von Lichtquellen und -richtungen in seinen römischen Werken zeigt, dass Caravaggio seine Kompositionen oft aus separaten Elementen zusammensetzte und dass bei diesem Prozess Ritzzeichnungen eingesetzt werden konnten, aber nicht mussten. Die Dornenkrönung des Kunsthistorischen Museums stellt ein wichtiges Beispiel für diesen Arbeitsprozess dar.
Vor kurzem wurde behauptet, dass der Gebrauch von Spiegeln zum Teil das brillante und außergewöhnliche Hell-Dunkel ebenso wie auch den Effekt der in Richtung auf den Betrachter aus dem Bildraum hinausdrängenden Figuren erklären könnte. Die Autoren vermuten, dass Caravaggio spezielle Spiegel verwendet hat, und vergleichen seine Vorgangsweise mit der Technik von einigen seiner Nachfolger, die Ritzzeichnungen seltener und in anderer Weise angewendet zu haben scheinen. Carlo Saracenis Gemälde zeigen ähnliche Ritzungen, die möglicherweise aber zur Definition von Negativräumen zwischen den Formen der Figuren dienten.