Entdecken Sie in der Rubrik Kunstgeschichten abwechslungsreiche Essays zu verschiedensten Kunstwerken aus unseren umfangreichen Sammlungsbeständen.
Ich vermisse das große, weite Kirchenschiff, meine nicht mehr vorhandene, ehemals auf unserem Altar versammelte Begleitung, den wiederkehrenden Geruch von Weihrauch und warmen Kerzenschein, das Sonnenlicht, das durch die bunten Fenster schien, die Frauen, Männer und Kinder, die zu meinen Füßen redeten, spielten, beteten und Handel trieben.
Man hat mich aus dem Zusammenhang gerissen.
Regelmäßig sah ich, wer den Beichtstuhl betrat – und wer ihn großräumig umging. Frontal stand ich ihnen gegenüber. Nie fürchtete ich, mein Sohn könne mir aus den Armen gleiten, er ist ein artiges Kind. Sanft umspielen die Glieder seiner linken Hand eine weiche Gewandfalte, seine rechte Hand liegt auf seinem Knie, elegant und melodisch wirkt unser Miteinander.
Wir zeigen uns unsere Zuneigung nur im Verborgenen. Ich schaue ihn nicht an, unserer Verbundenheit ist der messbaren Zeit entrückt.
Könnt ihr die Mondsichel erkennen, die zu meinen Füßen aufragt?
Der Evangelist Johannes hatte einst eine hochschwangere Frau auf dem Planeten stehen sehen, mit der Sonne bekleidet (daher mein goldenes Gewand) und von Sternen umgeben.
Sie kämpfte mit den Wehen und gegen einen Drachen, der danach gierte, das neugeborene Kind zu verschlingen.
Doch es wurde unversehrt geboren und noch bevor das Ungeheuer es erreichen konnte, nahm es seinen göttlichen Thron in Besitz.
Auch wenn ich hier souverän als Himmelskönigin vor euch stehe – leise fürchte ich mich.
Ich weiss um die Schmerzen und Prüfungen, die Jesus für euch erleiden wird. Seinen geschundenen Leichnam werde ich im Schatten des Kreuzes in Empfang nehmen müssen.